Meine kleine Volkspartei


Der Aufstieg der Piraten in der Wählergunst ist ungebrochen, ein Ende nicht in Sicht.

Was wir hier sehen, kommt zwar für Viele unerwartet, aber unerklärlich ist es nicht.

Bereits vor zwei Jahren gab es Studien, die der Piratenpartei ein Wählerpotential von bis zu 20% bescheinigten, wenn es ihr gelingt, allgemein bekannt zu werden. Eine aktuelle Studie der TU Dresden geht sogar von bis zu 29% “mobilisierbaren Wählerpotential” aus. Wer bietet mehr?

Die Erklärungen für den Erfolg der Piraten konzentrieren sich derzeit auf das Thema “Protest”, und in der Tat schafft es die Piratenpartei, vor allem die Wähler für sich zu gewinnen, die mit anderen Parteien unzufrieden sind. Wer auch sonst sollte eine neue Partei wählen?

Sicher sind die Piraten eine geeignete Projektionsfläche für viele diffuse Wünsche und Hoffnungen, aber das allein kann nicht den Erfolg erklären. Zudem gibt es rund 50 andere Kleinstparteien, die in der weitgehenden Bedeutungslosigkeit arbeiten.

Die Menschen und die Ideen

Für den Erfolg einer Partei sind wohl zwei Dinge am wichtigsten: Die Menschen, die sich engagieren, und die Ideen, die sie verbinden. Bei den Menschen hat die Piratenpartei das Glück gehabt, dass sich trotz oder wegen des Namens relativ normale Menschen zusammengefunden haben, die idealistisch genug waren, etwas Verrücktes zu tun, und pragmatisch genug, es auch umzusetzen: Eine neue Partei zu erschaffen, mit allem, was dazugehört: Satzungen, Schiedsgerichtsordnungen, Finanzordnungen, Organe wie Vorstände, Schiedsgerichte und Parteitage, Gliederungen und Programme, Kandidaturen und Wahlen. Alles, was man als ordentliche deutsche Partei halt so braucht.

Die gemeinsame Ursprungsidee dahinter lässt sich wohl so zusammenfassen: Für die Freiheit von Kommunikation, Wissen und Kultur einzutreten, gegen Überwachung, Zensur und repressiven Kommerz zu kämpfen.

Als gemeinsamer ideologischer Unterbau dienen die Ideale der Aufklärung, der Glaube an die menschliche Vernunft und eine Verehrung der Bürger,- Grund- und Menschenrechte. Die etablierten Parteien würden das zwar auch alles unterschreiben, glauben aber, weiter zu sein, weil sie als Realpolitiker an der Vernunft der Menschen zweifeln und wissen, dass etwa mit Härte gegen Terror und Verbrechen mehr Wählerstimmen zu holen sind als mit fundamentalistischen Grund- und Bürgerrechtspositionen.

Die Piraten hingegen hatten und haben nicht die Möglichkeit, ihre Positionen an Umfragen auszurichten und taktisch vorzugehen. Stattdessen braucht jede Position echte innerparteiliche Mehrheiten, und Taktieren ist als unehrlich verpönt. So machen die Piraten, was sie für richtig halten, und sind so, wie sie sind, weil sie nicht anders können. Darin liegt viel Kraft.

Erträglich werden die Piraten aber dadurch, dass sie lernfähig sind und sich eine Mehrheit von ihnen durch gute Argumente überzeugen lässt.

Organisation und Umgang mit Geld

Die deutschen Piraten haben es in den letzen Jahren ohne grosses öffentliches Aufsehen und mit wenig Geld geschafft, eine bundesweite Organisation aufzubauen, wie es sonst keiner Kleinstpartei gelungen ist. Bei allen Unzulänglichkeiten sind die Piraten teilweise besser organisiert als die eine oder andere viel grössere, etablierte Partei.

In Berlin etwa funktionierte im Wahlkampf die Plakatlogistik der Piraten deutlich besser als die der Linkspartei, wo einige Wahlkreise noch Wochen nach Plakatierungsbeginn frustriert auf ihre Plakate warteten, während die Piratenpartei trotz Dauerregen den Grossteil ihrer 12.000 Plakate in Nachtarbeit am ersten Tag aufgehängt hatte.

Die parteieigene IT-Infrastruktur mit Wikis, Pads, Mailinglisten und Mumble ist extrem offen und auch Nichtmitgliedern voll zugänglich, Liquid-Feedback-Systeme dienen der Antragsentwicklung und Meinungsbildung der Mitglieder, viele Organe nutzen Ticketsysteme, um im Team E-Mail-Anfragen zu beantworten, die Berliner Fraktion nutzt das Softwareprojektmanagementsystem Redmine, um alle Dokumente, Protokolle, Anträge und Beschlüsse zu verwalten, Hinzu kommt noch insbesondere Twitter zum Austausch von Kurznachrichten, und eine Vielzahl weiterer Systeme in den Landesverbänden, deren Aufzählung den Rahmen hier sprengen würde. Die Nutzungsintensität ist dabei gewaltig, der E-Mail-Server der Piratenpartei etwa versendet mehrere Millionen E-Mails pro Tag an 684 Mailinglisten mit zehntausenden von Abonnenten, es gibt regelmässig Audio-Konferenzen mit über 100 Teilnehmern, und Bundes-, Landes-, und teilweise Bezirksparteitage sowie wichtige Veranstaltungen lassen sich von jedem live im Internet verfolgen.

Mit dem “Kaperbrief” wird ehrenamtlich eine werbungsfreie Wahlkampfzeitung produziert und durch Kleinspenden finanziert, von der bald das Millionste Exemplar an Wähler verteilt wird.

Zudem geht die Piratenpartei recht sorgsam mit ihrem Geld um. Der Berliner Landesverband etwa verfügt über Barmittel von 200.000 Euro, von denen aber 100.000 in diesem Jahr nicht angetastet werden und für den Bundestagswahlkampf reserviert wurden.

Und auch in Punkto effizienter Mittelverwendung schlagen die Piraten alle anderen Parteien. Der Wahlkampf in Berlin kostete die Piraten rund 65.000 Euro, also etwa 50 Cent pro Wählerstimme. (Zum Vergleich Linkspartei : 3,80 € Euro, Grüne: 4,10 €, FDP 16,80 € pro Wählerstimme). Kein Wunder, dass es die anderen Parteien vor der Effizienzkultur der Informationsgesellschaft bangt, die sie gern als “Kostenloskultur” diskreditieren.

Tatsächlich funktioniert das alles nur, weil alle Parteiarbeit ehrenamtlich geleistet wird, und das in einem Ausmass, wie es in anderen Parteien wohl unvorstellbar wäre. Plakate werden von Mitgliedern selbst gestaltet und gehängt, Zeitungen selbst geschrieben und layoutet, die IT-Infrastruktur und die Webseiten sowieso, Fahrten und Transporte mit privaten PKW durchgeführt, Anreisen zu Parteiveranstaltungen selbst finanziert, Unterkünfte in anderen Städten werden von Piraten bereitgestellt, oder es wird in Jugendherbergen oder sogar im Schlafsack am Tagungsort übernachtet. Arbeiten werden bundesweit oder gar international verteilt und koordiniert, und das oft Peer-to-Peer ohne zentrale Instanz, initiiert von der Basis.

Auch wenn dieses Ausmass von Bescheidenheit und Selbstausbeutung auf Dauer wohl so nicht anhalten wird, dürften die anderen Parteien bis auf weiteres Probleme haben, da mitzuhalten. Die FDP etwa, der Outsourcing-Spitzenreiter unter den Parteien, würde ohne ausreichend Geld schlichtweg aufhören zu funktionieren und in sich zusammenfallen.

Und kaum jemand, der nicht dabei gewesen ist, kann ermessen, wie viel Arbeit es gemacht, die Schwierigkeiten und Benachteiligungen zu überwinden, denen man als neue Partei ausgesetzt ist. Ich rede vom Unterschriftensammeln zur Wahlzulassung, Desinteresse der Medien, Ausschluss von wichtigen Informationen, systematische Benachteiligung bei der Parteienfinanzierung und der 5% Hürde, die zu nehmen für eine neue Partei fast aussichtslos ist. Hierzu brauchte es trotz der vielen Arbeit auch noch den perfekten Sturm wie bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl, wo ein starker Landesverband, experimentierfreudige Wähler und ein langweiliger Wahlkampf der Anderen zu einer medialen Welle geführt haben, die die Piraten dann spektakulär über die 5%-Hürde gehoben hat. Mit guter und harter Arbeit allein ist diese Hürde nämlich nicht zu schaffen.

Der Coolnessfaktor

Die anderen Parteien beneiden die Piraten darum, das diese einfach “cooler” sind als andere Parteien. Das liegt allerdings weniger an den Piraten als an den etablierten Parteien. Sie lassen Politik wie eine Mischung aus Behörde und Musikantenstadl erscheinen, die mit einer eingekaufter Werbung angepriesen wird, die sich stilistisch und intellektuell zwischen der für Versicherungen und Waschmittel bewegt.

Die Piraten dagegen haben sich eine 2500 Jahre alte Traditionsbezeichnung angeeignet. Das griechische Wort “πειρατής” (peiratés) bedeutet unter anderem „Angreifer“, stammt aber wiederum vom altgriechischen “πειράω-ῶ” (peirao), was man mit “versuchen”, “erproben”, “in Versuchung führen”, “Experimente wagen” oder “Erfahrung sammeln” übersetzen kann. Der Name passt also geradezu perfekt, auch ganz abseits von Seeräuberromantik, die den meisten Piraten mittlerweile zum Hals raushängt, aber damit müssen wir wohl leben.

Die eigentliche Coolness an den Piraten hat aber weniger mit Äusserlichkeiten zu tun, sondern mit innerer Haltung und dem Praktizieren urtümlicher Demokratieformen wie offenen innerparteilichen Wahlen und echten Debatten, die entscheidenden Einfluss auf Abstimmungen haben. Das alles haben die anderen Parteien längst wegoptimiert.

Das mit dem Alter

Dass die Piraten die anderen Parteien “alt” aussehen lassen, liegt daran, dass die anderen Parteien alt sind. Daran haben wir uns gewöhnt. Mit Ausnahme der Grünen haben die anderen Parteien das Problem, dass ihnen von einer Wahl zur anderen ein nennenswerter Teil der Wähler und Mitglieder einfach wegstirbt.

Die Piraten dagegen erhalten bei jeder Wahl überproportional viele Stimmen von Erstwählern. Das ist für die betroffenen Parteien sicher nicht angenehm, gegen das Altern ankämpfen zu müssen.

Das Problem ist aber ein allgemeines deutsches Problem. Mit einem Durchschnittsalter von 44,9 Jahren ist die deutsche Bevölkerung die älteste der Welt, sieht man von Monaco und dem Vatikan ab.

Die Piraten mit einem Durchschnittsalter von unter 35 Jahren bilden also auch so etwas wie ein demografisches Gegengewicht zu CDU/CSU, FDP, SPD, und Linkspartei. Dabei sollte man allerdings nicht in den Irrtum verfallen, dass die Piratenpartei eine Klientelpartei für junge Leute ist, denn im Weltbild der meisten Piraten sind Alter und Geschlecht keine Kategorien, nach denen man Menschen einteilt. Das mag idealistisch, naiv und in manchen Fällen auch grob falsch sein, aber so sind sie halt, die Piraten. Die Piratenpartei wird allerdings auch ihre Politik nicht in dem Maße an den Älteren ausrichten, wie die anderen Parteien es tun, weil die Älteren in Deutschland in der Mehrheit sind. Eine solche Politik zerstört nämlich die Zukunft Aller.

Frauen in der Piratenpartei

Ein ganz heikles Thema. Es gibt sie, und sie sind zu wenige, aber das Geschlecht ist im idealistischen Menschenbild der Piraten auch ohne Belang, jedenfalls, wenn es um politisches Engagement geht. In der Ablehnung einer Quote sind die Frauen in der Partei im Übrigen militanter als die Männer, die sich natürlich mehr Frauen in der Partei wünschen.

Für die Piratenpartei eine harte Quote wie bei den Grünen zu fordern, ist derzeit aber absurd. Die Piraten müssen bei ihrer Grösse jedes Mitglied willkommen heissen, egal, ob Mann oder Frau.

Die Grünen hingegen können es sich vielleicht leisten, so viele Männer zu vergraulen, bis die Quote erfüllt ist. Das mag zynisch klingen, aber so funktioniert das bei den Grünen, und vielleicht ist es den Preis ja wert, denn Frauen scheinen mir in der Regel gewissenhafter zu arbeiten als Männer und kommen mir sozial kompetenter vor. Daher orientiere ich mich in meinem Sozialverhalten und Führungsstil auch mehr an Frauen.

Glücklicherweise holen die Frauen aber in allen Bereichen der Gesellschaft zu den Männern auf. So zeigt etwa die Kriminalstatistik seit langem einen steigenden Anteil weiblicher Straftäter, und das ist auch gut so.

Wo bleibt das Programm?

Die Frage nach dem Programm ist lustig, denn kaum jemand liest Parteiprogramme, kaum jemand trifft seine Wahlentscheidung danach, und kaum eine Partei hält sich an ihr Programm. Die Frage nach dem Programm der Piraten ist noch mehr als die Frage nach dem Frauenanteil der Versuch, einen möglichst plakativen Makel an den Piraten auszumachen.

Tatsächlich hat die Piratenpartei aber nicht nur ein Grundsatzprogramm auf Bundesebene, sondern auch noch Grundsatz- und Wahlprogramme in fast jedem Bundesland, und die Piratenpartei gibt sich viel Mühe mit ihrem Programm.

Aus diesem Grund ist das Programm auch nicht vollständig, obwohl es seit Jahren eine Vielzahl von Anträgen zu praktisch jedem Politikbereich gibt, aus denen man in einer Woche ein tausendseitiges Vollprogramm zusammensetzen könnte, wenn man wollte. Will man aber nicht, denn ein Programm muss sinnvollerweise die Zustimmung von zwei Dritteln der Parteitagsteilnehmer finden, und da braucht es etwas Überzeugendes, denn die Mitglieder geben sich weder mit Patentrezepten noch mit bedeutungslosem Geschwafel zufrieden.

Hinzu kommt, dass die Piratenpartei für mehr Bürgerbeteiligung eintritt, und das beisst sich ein stückweit mit einem detaillierten Programm, aber auch nur ein Stückweit, denn Aufgabe einer Partei ist es nicht nur, Meinungen abzufragen, sondern auch für gute Ideen zu werben und Menschen von diesen zu überzeugen. Dafür braucht es ein Programm mit guten, überzeugenden Ideen, und die fallen nicht vom Himmel.

Eine kleine Volkspartei?

Ja, die Piraten sind eine kleine, junge Volkspartei, denn sie sind weder Klientelpartei, noch sind sie eine Ein-Themen-Partei, wie ihnen auch gern vorgeworfen wird.

Die Piraten ziehen Wähler von allen Parteien an, weil sie eine pragmatische Partei sind, die im deutschen Parteienspektrum rechts vom linken Rand der SPD und links von der Mitte der CDU anzusiedeln ist.

Allerdings halten die Piraten nicht viel von solch einer eindimensionale Einordnung, weil sie die der Komplexität von Politik nicht gerecht wird.

Wer näheres über meine Einordnung der Piraten in einen 14-dimensionalen politisches Spektrum wissen möchte, kann meinen zwei Jahre alten Artikel „Die Internetfeinde“ lesen.

Doch zurück zum Thema Volkspartei, was für viele leider ein Schimpfwort geworden ist. Eine Volkspartei, die einfach nur versucht, es einfach möglichst allen Recht zu machen, ist weitgehend nutzlos, denn die könnte man auch durch einen Computer ersetzen.

Auch, wenn es irgendwie schwafelig klingt: Die Volkspartei “Piraten”, die ich mir wünsche, ist eine hochlebendige Partei, die es schafft, mit den Menschen für die Menschen kreative Lösungen und mutige Visionen für eine bessere und gerechtere Welt zu entwickeln und damit Menschen aus der ganzen Breite der Gesellschaft zu überzeugen oder gar zu begeistern.

Etwas weniger schwafelig: Ich will eine Partei, die mit guten Ideen und deren Umsetzung überzeugt.

DIe Zukunft der Piratenpartei

Die Zukunft der Piratenpartei ist, wie es die Zukunft nun mal an sich hat, ungewiss. Die bisherige Entwicklung ist vielversprechend, und eines ist klar: Auch wenn die Piratenpartei als Partei scheitert, sie hat bereits Geschichte geschrieben und die Politik unwiderruflich verändert, denn der einzige aussichtsreiche Weg, einen dauerhafte Etablierung der Piratenpartei zu verhindern, ist, ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem ihre Positionen von den etablierten Parteien übernommen und umgesetzt werden.

Als Beispiel für die erfolgreiche Bekämpfung einer aufstrebenden neuen Partei durch die etablierten Parteien kann ausgerechnet die Geschichte der rechtsextremen Partei “Die Republikaner” gelten, die 1993 mit 23.000 Mitglieder ihren Höchststand erreichte, nachdem sie 1989 mit 7,5% in Berlin und 1991 mit 10,9% in Baden-Württemberg in die Landesparlamente und 1989 mit bundesweiten 7,1% ins Europaparlament eingezogen war.

Die Geschichte der Republikaner lässt sich zwar nur sehr bedingt mit der Piratenpartei vergleichen, zeigt aber, dass eine neue Partei trotz grosser Erfolge leicht wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden kann.

Meiner Meinung nach sind drei Dinge für das Scheitern der Republikaner verantwortlich:

1) “Die Kombination aus relativ plötzlichem Erfolg, vielen unerfahrenen Parteimitgliedern und verstärkter öffentlicher und offizieller Beobachtung führte zu zahlreichen innerparteilichen Streitigkeiten.” (Zitat WP) Ursache für Streit waren insbesondere Korruption und Misswirtschaft in der Partei.

2) Das Präsidium der CDU, die als einziger Koalitionspartner in Frage gekommen wäre, schloss 1989 nach der Europawahl Koalitionen mit den Republikanern kategorisch aus. (Ausgrenzung)

3) Den Republikanern wurde 1993 erheblich Wind aus den Segeln genommen, indem ihre Kernforderungen beim Asyl- und Ausländerrecht von CDU,CSU,FDP und SPD übernommen und umgesetzt wurden. Beim sogenannten Asylkompromiss wurde mit einer Verfassungsänderung (Art. 16a) das Asylrecht weitgehend eingeschränkt, die Residenzpflicht eingeführt, die Sozialhilfe für Asylbewerber abgeschafft und ein Arbeitsverbot eingeführt.

Sollte es den Piraten so ergehen, wie den Republikanern, dürften wir wenigstens auf die Umsetzung unserer Kernforderungen nach mehr Freiheit, Transparenz und Bürgerbeteiligung hoffen. Vielleicht spränge ja sogar ein BGE dabei raus.

Ich glaube aber, dass die Zukunft der Piratenpartei eine andere sein wird, und zwar aus folgenden Gründen:

1) Die Piratenpartei liegt im Gegensatz zu den Republikanern nicht am Rand, sondern mehr in der Mitte des eindimensionalen rechts-links Spektrums. Eine Ausgrenzung wie bei den Republikanern müsste daher durch alle Parteien erfolgen, und das halte ich für unrealistisch und nicht begründbar. Eine solche Strategie würde die Piraten eher stärken.

2) Bei allem Streit sind die Mitglieder der Piratenpartei vergleichsweise anständige und besonnene Menschen, so meine bisherige Erfahrung. Zudem hilft der eigene Transparenzanspruch, Korruption und Misswirtschaft in der Partei weitestgehend zu vermeiden.

Dennoch wird das alles kein Spaziergang werden, und die Piratenpartei wird mit Höhen und Tiefen zu kämpfen haben, und es wird sicher auch nicht ohne Streit abgehen, aber die Piraten sind nicht verwöhnt und lernen schnell.

Gleichzeitig werden die Erfolge auch die Piraten verändern, den einen mehr, den anderen weniger. Dabei werden die Piraten aber auch die Politik verändern, das ist sicher, denn sie haben es bereits getan.

Diesen Erfolg kann den Piraten niemand mehr nehmen: Sie haben die anderen Parteien in Bewegung versetzt und Bewusstsein für ein ganzes Bündel neuer Probleme geschaffen, die von den anderen Parteien bisher gar nicht als solche wahrgenommen wurden.

Wie die Zukunft der Piraten wirklich aussehen wird, das hängt aber von vielen Dingen ab, die niemand kontrollieren kann: Dem Verhalten der Piratenpartei und ihrer Mitglieder, das Verhalten der anderen Parteien, den Medien, den Stimmungen der Wähler und nicht zuletzt von besonderen innen- und aussenpoltischen Ereignissen, die niemand vorhersagen kann.

Was das eingangs geschilderte “mobilisierbare Wählerpotential” der Piraten angeht: Eine bestimmte Obergrenze sehe ich da nicht.

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47 Antworten zu “Meine kleine Volkspartei”

  1. Wow.
    Besser kann man es nicht formulieren.
    Genau DAS sind die Gründe, warum ich eingetreten bin und wie ich diese Partei sehe.
    Danke für diesen Blog!

  2. Kompliment!!!
    Wahnsinnig gute Analyse, die Ergebnis politischer Praxisarbeit und fundierter theoretischer Kenntnisse zu sein scheint.
    Wäre schön, wenn dieser Text große Wirkung entfaltet und an prominenten Stellen Erwähnung findet!

  3. So Leid es mit tut: Ich lese keinen einzigen Grund die Piratenpartei zu waehlen. Selbst der begruendete Protest gegen die etablierten Parteien reicht bei mir nicht. Ich bin mal gespannt was man in 10 Jahren ueber die Piraten denken wird.

    • Es haben durchaus viele Piraten zu so manchen Themen – entgegen medial transportierter Behauptungen -pragmatische Lösungsansätze erarbeitet:

      Ein Pirat nimmt sich als thematischer Vorreiter dabei gerne selbst ein wenig zurück, weil es ihm eben nicht auf diese Rolle ankommt. Vielmehr sucht er die Unterstützung anderer Piraten, die sich in dem einen oder anderen Teilgebiet hoffentlich kompetenter zeigen mögen als er selbst.

      So können durch verschiedene Perspektiven und Erfahrungshorizonte auf das selbe Problem beispielsweise unbeabsichtigte Nebeneffekte vermieden werden.

      Denn es ist oft so, dass ein gut gemeintes Gesetz bei einem Teil er Bevölkerung das Gegenteil des Regelungszweckes bewirkt:

      z.B. soll die Rentenpflicht für Selbständige, die Ursula von der Leyen in ihrem Eckpunktepapier fordert, ein Einspringen der Grundsicherung im Alter bei diesen verhindern.

      Das hört sich zwar gut an, ist aber schlecht gemacht: Anstatt von ausnahmslos jedem Bürger einen Prozentsatz seines Lohnes oder Gewinns in eine Kasse einzahlen zu lassen, sollen Pauschalabgaben fällig werden.
      Diese überfordern jedoch kleine Selbständige, sodass sie ihre Existenz aufgeben müssen und Leistungen nach Hartz-IV beziehen werden. Dann aber werden sie noch viel wahrscheinlicher auf Grundsicherung im Alter angewiesen sein und ab sofort zu alimentieren sein.

      Der psychische Schaden durch die Aussichtslosigkeit bei diesen Menschen ist kaum zu beziffern, da es sich bei diesen oftmals um Idealisten handelt, die kreative Wege zum Markt gefunden hatten.

      Es kommt – wie immer im Leben – eben nicht darauf an, was gemacht wird oder wer es macht, sondern welche konkreten Auswirkungen es hat:

      Solange man mit seinem Vorhaben gegen freiheitliche Grundwerte verstößt, z.B. den der freien Berufsausübung sowie den der Gleichheit und damit Existenzen vernichtet, sollte man nicht behaupten, eine Lösung zu haben, so wie es Ursula von der Leyen tut.

      Anstatt Menschen der Profilierungssucht einzelner zu opfern, sollte man sich also mit so vielen unterhalten, bis der letzte Zweifler gehört und einbezogen ist, denn er könnte das bisherige Patentrezept falsifizieren, womit es hinfällig wäre.

      Respekt als gruppenbezogenes Konstrukt ist also gar kein Respekt, solange dieser nicht zugleich jedem Einzelnen aus dieser Gruppe gilt.

      Etablierte Kräfte jedoch pervertieren diesen wunderbaren Begriff des Respekts, indem sie behauptete Interessen eines virtuellen Konstruktes (vgl. „die Selbständigen“), welches es so nicht gibt, an die Stelle berechtigter Interessen existierender Personen setzen.

      Und das tut denjenigen, die sie damit treffen, mitunter sehr weh. Piraten haben das verinnerlicht. Daher hören sie zu, diskutieren, stimmen sich ab, nötigenfalls so lange, dass Schaden vermieden wird.

      Wäre Frau von der Leyen Piratin, würde sie jetzt sagen, dass sie keine Lösung hat, wie man Selbständige am besten daran hindert, Leistungen aus der Grundsicherung zu beziehen. Sie würde zugeben, dass sie nicht einmal weiß, ob das Hindern erstrebenswert sei, weil Arbeitnehmer mit geringen oder keinen Beiträgen schließlich auch an der Grundsicherung partizipieren sollen.

      Sie müsste zugeben, dass sie kein Konzept hat und dennoch versucht, sich auf Kosten der Schwächsten zu profilieren.

      Da sind Piraten doch programmatisch und systemisch wesentlich weiter entwickelt, wenn sie voller Respekt sagen, sie hätten noch keinen Beschluss:

      Denn sie akzeptieren nicht, dass einzelne Menschen sich mit ihrem Leid als Kollateralschaden einer Ideologie opfern müssen.

      Und dafür danke ich ihnen herzlichst!

  4. Von allen anderen Inhalten mal abgesehen möchte ich nur darauf hinweisen, dass ALLE „etablierten“ Parteien von dem ehrenamtlichen Engagement ihrer Mitglieder und auch ihrer Jugendorganisationen (mit denen die Piraten ganz gut zu vergleichen sind) leben. Hier sollte bitte ein bisschen mehr die Realität in anderen Parteien anerkannt werden.

    • Ich stelle das ehrenamtliche Engagement in anderen Parteien auch nicht in Abrede und weise auch darauf hin, dass sich das bei den Piraten langfristig verschieben wird. Das Ausmaß des Engagements bei der Piratenpartei ist allerdings teilweise extrem hoch. Es ist nicht ungewöhnlich, dass aktive Mitglieder zum Teil neben ihrem Beruf über lange Zeit zwischen 20 bis 60 Stunden pro Woche leisten. Das ist nicht unbedingt gesund, aber es ist so. Andere Parteien können in viel höherem Maße auf die Mitarbeit von Mandatsträgern, Stiftungsmitarbeitern, bezahlten Funktionären und den Regierungsapparat zurückgreifen und haben eine ganz andere finanzielle Basis: Während die Piratenpartei über rund 2 Mio. Euro im Jahr 2011 aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Parteienfinanzierung insgesamt verfügen konnte, stehen dem rund 450 Mio. Einnahmen der anderen Parteien gegenüber. Hinzu kommen für die anderen Parteien insgesamt über 250 Mio. Fraktionsmittel und 400 Mio. für parteinahe Stiftungen. Das eröffnet den anderen Parteien ganz andere Incentivierungsmöglichkeiten.

  5. Habe lange nicht mehr so eine hervorragende Darstellung der Zusammenhänge und Mechanismen zu den Piraten gefunden, wie Du sie hier ablieferst.

    Zur Zukunft:
    Was die Piraten so eindeutig gegen alle anderen Alt-, Neu-, Kleinstparteien abgrenzt, ist dass wir die Partei nicht als Selbstzweck betrachten.

    Unser Ziel ist eine Innovation der demokratischen Kultur.
    Wir schlagen dafür Methoden vor, wissen aber selbst noch nicht, ob es die Einzigsten und die Richtigsten sind.
    Der Prozess ist ergebnisoffen. Dabei kann herauskommen, dass ein Parteiensystem, (welches durchaus seine Berechtigung hatte in der vllt. 200-jährigen demokratischen Tradition der Alten und Neuen Welt), für Zukunft überholt ist, und durch Elemente direkterer Demokratie ersetzt werden kann.
    Das würde auch für die Piraten bedeuten: vielleicht gibt es uns als Partei in 10-15 Jahren nicht mehr.
    Dann aber nicht, weil wir ausgegrenzt wurden oder uns zerstritten haben, sondern weil wir unser Ziel erreicht haben (oder diesem substantiell näher gekommen sind): Die Implementierung einer moderneren Demokratie im gesellschaftlichen Konsens.
    Wir sind ja schon jetzt ein klein wenig in den Köpfen der Menschen angekommen.
    Davon ausgehend bietet sich dann einer neuen Generation der Freiraum, mit wieder frischen Ideen einen weiteren Schritt nach vorne zu gehen. Mit Ideen und Utopien, die wir jetzt noch gar nicht kennen.
    Eine Gesellschaft kann nur überleben, wenn sie sich kontinuierlich verändert und verbessert.
    Dafür müssen die Alten (Bäume, Leute, Parteien, …) Platz machen, und den Jungen Luft und Raum für Veränderung geben.

    Andreas Böttcher
    (@a_boettcher, Crew Guybrush Threepwood)

  6. Gratuliere – ein beeindruckender und wunderbarer Text.

    Für mich persönlich muss ich sagen, dass sind genau die Gründe warum ich mich als eigentlich unpolitische Person – für Piraten und Politik interessiere und dazu beitragen möchte diese Ziele voranzubringen.

    Viele Grüsse

    Hilger Schneider
    (Wirtschafts- und Personalpsychologe)

    PS: Ich bin Pirat, weil …

    sie Wissenschaft und freie Bildung für alle fördert und sich der Entwicklung nicht in den Weg stellt.

  7. >So zeigt etwa die Kriminalstatistik seit langem einen steigenden Anteil weiblicher Straftäter, und das ist auch gut so.

    Den Absatz solltest Du noch mal überdenken, ich glaube nicht daß Du das, was das steht wirklich sagen wolltest 😉

    • Mathematisch – sowie von der Aussagelogik her – ist an seiner Aussage doch nichts auszusetzen.
      Ich finde es sogar besonders gut gelungen, wie es dort steht 😉
      Denn Printmedien missbrauchen oftmals solche Konstrukte wegen vermutet schwacher Lesekompetenz ihrer Konsumenten. Schon deshalb wirkt es erfrischend provokant!

      Zum Verständnis: Er bezieht sich auf den Anteil der Frauen an den Straftätern, nicht etwa auf die absolute Zahl. Auch wagt er im Gegensatz zu gängigen Presseerzeugnissen nicht zu behaupten, dass Straftäter möglichst vom männlichen Geschlecht sein sollten.

      Ich möchte damit nicht oberlehrerhaft wirken, nur Missverständnissen vorbeugen.

      Gerade in dieser Provokation, die Relation mit Bezug auf den Frauenanteil her zu formulieren, dürfte die Würze liegen. So erscheint es sehr stimmig zu der weit verbreiteten Auffassung von „Postgender“ innerhalb der Partei zu passen, ganz im Sinne echter Gleichberechtigung. Darüber hinaus ist es doch angenehm, wenn Männer nicht mehr so negativ auffallen, wie bisher, oder?

      Denn niemand würde sich wundern, wenn er heute in der Zeitung lesen würde, der Anteil männlicher Straftäter sei zwar rückläufig, aber weiterhin hoch. An solche Verrenkungen haben wir uns doch schon gewöhnt.

      Seine Formulierung eignet sich hervorragend als Lackmustest für Gleichberechtigung. Je mehr sich darüber irrtümlich aufgeregt wird, desto mehr Arbeit liegt noch vor uns.

      Aber das sind noch lange nicht alle Facetten des Satzes, in dem – wenn man will – mehr Tiefe liegt, als anfangs vermutet, was man erkennt, wenn man sich überlegt, was es gesellschaftlich bedeutet, wenn es denn so gut ist.

      Das ist Komprimat von der feinsten Sorte, welches sich selbst auf seitenlange Betrachtungen entfaltet, wenn man es zulässt!

      • Dann wäre noch zu erwähnen, dass er sich auf die Kriminalstatistik bezog, also auf _gemeldete_ Straftaten. Das allein ist thematisch schon interessant.

  8. Danke Herr Mayer für diesen sehr guten und treffenden Text.

    Ich bin kein Pirat, aber bekennender Anhänger der Piratenpartei seit 2009. Seit dem ist sie auch „meine kleine Volkspartei“ geworden. Wobei das Wort „klein“ vielleicht auch schon untertrieben ist. Ich bin mir sicher, ohne Piratenpartei würde ich meine kommenden Wahlen ungültig machen.

    Ihren Text will ich mir merken weil er ganz meiner Meinung und meinen Erfahrungen entspricht.

    Gruß Gerd

  9. Ungeschminkte Wahrheit Treffender sind wir, die Piraten und ihre Arbeit, nicht zu beschreiben.

  10. Klasse Artikel!!! Besser kann man diese Analyse wohl nicht mehr in Worte fassen…
    Von daher nehme ich deine Freude über eine „steigende Frauenquote bei Straftätern“ einfach mal als Ironie^^

  11. Vielleicht wollte er damit auch nur aufzeigen, dass Männer und Frauen in praktisch allen gesellschaftlichen Bereichen identisch sind. Die Grundhaltung ist ja leider immer noch, Frauen gehen weniger fremd, Frauen vergehen sich seltener an Kindern, Frauen sind grundsätzlich nicht so stark kriminell veranlagt etc.
    Das dem nicht so ist sollte jedem klar sein aber so wird es nun mal seit Jahr und Tag propagiert.

    Das ist also keine Freude, sondern nur ein Beispiel.

  12. Du schreibst mir weitestgehend aus der Seele, Pavel. An einigen stellen hatte ich Aha-Erlebnisse, da ich Ähnliche Gedanken bereits vor einigen Tagen auf meinem Blog festhielt. Es ist ein neuer Zeitgeist der die Piraten vereint und eine neue Ära einleitet. Weiter so und viele Grüße, Martin
    @metapeter http://metapeter.wordpress.com/about/

  13. „Glücklicherweise holen die Frauen aber in allen Bereichen der Gesellschaft zu den Männern auf. So zeigt etwa die Kriminalstatistik seit langem einen steigenden Anteil weiblicher Straftäter, und das ist auch gut so.“

    Dieser Satz nach der Feststellung, dass es bei den piraten zu wenig Frauen gibt. Dadurch haste Dir den ganzen Text kaputt gemacht. Nee, nicht witzig.

    Und übrigens (denn so kam ich gerade überhaupt auf Dein Blog) las ich gerade das: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik-der-pirat-ist-nicht-prekaer-11704312.html
    Also zum Thema Geld ist auch noch nicht alles gesagt (selbst gut verdienen und dann „ehrenamtliche“ Arbeit loben und fordern, naaaja).

    • Das mit dem Anteil der weiblichen Straftäter ist in der Tat provokant formuliert, aber ich halte es tatsächlich für ein gutes Zeichen. Wie stellst du dir das mit der Gleichstellung vor? Dass Frauen lieber in der Mehrzahl Opfer bleiben sollen? Dass Frauen überall da gleichgestellt sind, wo es nett ist, und Männer in den Bereichen dominieren sollen, die gesellschaftlich geächtet sind? So kann das nicht funktionieren.

      Ich heisse ja nicht gut, wenn die Kriminalität absolut steigt, aber das ist auch nicht der Fall.

      Eine Angleichung der Kriminalitätsrate bei Männern und Frauen ist ein klares Zeichen für eine Angleichung des Selbstverständnisses von Menschen verschiedener Geschlechter, und das begrüsse ich grundsätzlich.

      Ich freue mich aber, dass meine Bemerkung offenbar dazu anregt, etwas differenzierter über Geschlechterquoten und -rollen nachzudenken.

  14. […] der auch auf Twitter sehr beliebt ist, kommt von Pavel “@pavel23” Mayer: “Meine kleine Volkspartei“ Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Deutschland, Presse von admin. Permanenter Link […]

  15. „Erträglich werden die Piraten aber dadurch, dass sie lernfähig sind und sich eine Mehrheit von ihnen durch gute Argumente überzeugen lässt.“

    Piraten sind etwas ganz besonderes!

  16. „Für die Piratenpartei eine harte Quote wie bei den Grünen zu fordern, ist derzeit aber absurd. Die Piraten müssen bei ihrer Grösse jedes Mitglied willkommen heissen, egal, ob Mann oder Frau.

    Die Grünen hingegen können es sich vielleicht leisten, so viele Männer zu vergraulen, bis die Quote erfüllt ist. Das mag zynisch klingen, aber so funktioniert das bei den Grünen“

    Ist das wirklich so, es gibt ne Frauenquote für Mitglieder?

    „Frauen scheinen mir in der Regel gewissenhafter zu arbeiten als Männer und kommen mir sozial kompetenter vor. Daher orientiere ich mich in meinem Sozialverhalten und Führungsstil auch mehr an Frauen.“

    Oh Mann!

    Warum gibt es so viel Lob für diesen Text?

    • Es gibt bei den Grünen zwar keine offizielle Frauenquote für Mitglieder, aber es exisitiert ein hochentwickeltes Instrumentarium, mit dem Frauen gegenüber Männern bevorzugt werden. So dürfen etwa Männer nur auf jeden zweiten Listenplatz kandidieren, während Frauen sich auf jeden Platz bewerben können. Wenn sich keine Frau findet, wird auch kein Mann nehr aufgestellt, die Liste ist dann zu Ende. Änhliches sind die Redebeiträge quotiert: Männer und Frauen müssen einen gleichen Gesprächsanteil haben. Wenn sich keine Frauen finden, die etwas zu einem Thema zu sagen haben, darf sich auch kein Mann dazu äussern. Das sind nur zwei Beispiele, es gibt da viel mehr.

      Die Mittel funktionieren jedenfalls, und mit feinen Anpassungen gelingt es den Grünen, den Frauenanteil bei ziemlich genau 50% zu halten. Ich finde durchaus, dass die Grünen das machen können, denn ein hoher Frauenanteil ist ja allgemein erwünscht. Man sollte sich nur nicht der Illusion hingeben, dass das alles keine negativen Auswirkungen auf die Bereitschaft von vielen Männern hätte, sich bei den Grünen aktiv zu betätigen.

      • Lieber Pavel Mayer, du schriebst:

        „[…] und mit feinen Anpassungen gelingt es den Grünen, den Frauenanteil bei ziemlich genau 50% zu halten. Ich finde durchaus, dass die Grünen das machen können, denn ein hoher Frauenanteil ist ja allgemein erwünscht. Man sollte sich nur nicht der Illusion hingeben, dass das alles keine negativen Auswirkungen auf die Bereitschaft von vielen Männern hätte, sich bei den Grünen aktiv zu betätigen.“

        Es kann aber auch negative Auswirkungen auf die Qualität der Arbeit haben, wenn man absichtlich auf einen kompetenteren Mann verzichtet, nur um die Quaote zu erfüllen.

        Ich fand das gerade bei den Piraten immer gut, dass sie ohne Ansehung des Geschlechts arbeiten und Entscheidungen treffen wollen. Die Arbeitsweise der Grünen liefe dem jedoch zuwider.

        Das Problem liegt ja nicht darin, dass es an Frauen mangelt, sondern dass manche Männer es an Selbstkritik und Selbstreflektion mangeln lassen. Das macht diese eher opportunistisch veranlagten – und damit charakterlich ungeeigneten Kandidaten – anfangs stark. Denn sie schonen ihre Ressourcen. das ist ja auch das Dilemma, warum es manche bis in die Spitze der FDP und in den Bundestag schaffen. Die halten sich den Kopf frei, indem sie nur replizieren, was man von ihnen erwartet.

        Wenn wir so etwas verhindern wollen – und da bin ich mir sicher, dass wir das wollen – müssen wir besonders sensibel auf solche Charakterzüge bei unseren Kandidaten achten.

        Stattdessen einfach Frauen zu bevorzugen, solange es auch ehrliche und sensible Männer gibt, halte ich daher für falsch. Vielleicht wolltest du das auch nicht damit sagen?

        Danke für die Aufmerksamkeit für ein auch mir so wichtiges Thema.

  17. „denn im Weltbild der meisten Piraten sind Alter und Geschlecht keine Kategorien, nach denen man Menschen einteilt. Das mag idealistisch, naiv und in manchen Fällen auch grob falsch sein, aber so sind sie halt, die Piraten. Die Piratenpartei wird allerdings auch ihre Politik nicht in dem Maße an den Älteren ausrichten“

    Autsch!

  18. „Die Piraten dagegen haben sich eine 2500 Jahre alte Traditionsbezeichnung angeeignet. Das griechische Wort “πειρατής” (peiratés) bedeutet unter anderem „Angreifer“, stammt aber wiederum vom altgriechischen “πειράω-ῶ” (peirao), was man mit “versuchen”, “erproben”, “in Versuchung führen”, “Experimente wagen” oder “Erfahrung sammeln” übersetzen kann. Der Name passt also geradezu perfekt, auch ganz abseits von Seeräuberromantik, die den meisten Piraten mittlerweile zum Hals raushängt, aber damit müssen wir wohl leben.

    Die eigentliche Coolness an den Piraten hat aber weniger mit Äusserlichkeiten“

    Stimmt, man sollte sich von bloßen Äußerlichkeiten wie die jahrtausendealte Tradition, die aus dem Namen spricht, nicht blenden lassen.

  19. Es ist nicht zu fassen, was da für Klopper im Text stehen:

    „Glücklicherweise holen die Frauen aber in allen Bereichen der Gesellschaft zu den Männern auf. So zeigt etwa die Kriminalstatistik seit langem einen steigenden Anteil weiblicher Straftäter, und das ist auch gut so.“

  20. „Auch, wenn es irgendwie schwafelig klingt: Die Volkspartei “Piraten”, die ich mir wünsche, ist eine hochlebendige Partei, die es schafft, mit den Menschen für die Menschen kreative Lösungen und mutige Visionen für eine bessere und gerechtere Welt zu entwickeln und damit Menschen aus der ganzen Breite der Gesellschaft zu überzeugen oder gar zu begeistern.

    Etwas weniger schwafelig: Ich will eine Partei, die mit guten Ideen und deren Umsetzung überzeugt.“

    Danke für die beiden Versionen. So ist für jeden etwas dabei.

  21. Es zeugt von außerordentlichem Feingespür für gute Öffentlichkeitsarbeit, die eigene Partei mit den Republikanern zu vergleichen.

    War das eigentlich notwendig, um den Punkt rüberzubringen, dass die Piratenpartei auch langfristig Erfolg haben wird?

    Oder ging es darum, umbedngt diese beiden Punkte loszuwerden:
    1. Die Piraten befinden sich nicht am rechten Rand.
    2. Piraten sind vergleichsweise anständig und besonnen

    ? ? ?

    • Parallelen mit den Grünen werden oft gezogen, weil sie präsent sind und die Grünen sich nachhaltig etablieren konnten. Mit dem weniger bekannten Beispiel über das Scheitern der Republikaner wollte ich zeigen, dass selbst ein schneller Erfolg in mehreren Ländern und sogar bundesweit das Scheitern einer Partei nicht ausschliesst. Die Piratenpartei befindet sich hinsichtlich ihrer Mitgliederzahlen und Wahlerfolge genau dort, wo sich die Republikaner auf ihrem Höhepunkt befanden. Das ganze soll allen als Warnung dienen, die glauben, dass die Piratenpartei bereits ein Selbstläufer geworden ist. Ausserdem finde ich interessant, welche Auswirkungen das Intermezzo der Republikaner bis heute auf das Ausländerrecht hat.

      • Das ganze ist nicht wie eine Warnung formuliert, abgesehen davon, dass eine Warnung wenig Sinn macht, wenn du gleich wieder erörterst, warum die Piraten nicht vergleichbar sind.

        Es klingt eher so, als wolltest du zeigen: Selbst wenn ihr versucht, die Piraten zu bekämpfen, werdet ihr keine Erfolg haben. Das Bekämpfen der Piraten sprichst du ja gleich im ersten Absatz an.

        Ich finde deinen Text an mehreren Stellen ungeschickt (wie an meinen Kommentaren ersichtlich), sorry aber wegen meiner etwas arroganten Haltung. Das war auch eine Gegenreaktion zu dem m.E. übertriebenen Hype.

        • Ich finde es ganz hervorragend, dass Pavel es sich erlaubt, ungeschickte Äusserungen zu tätigen. Wobei dahingestellt sei, ob die Äusserungen wirklich ungeschickt sind. Letztendlich entscheidet das Feedback einer Vielzahl von Lesern, ob eine Äusserung ungeschickt ist, nicht Stephan alleine. Ich plädiere deshalb unbedingt dafür, sich weiter so klar über Dinge zu äussern, auch wenn dadurch manchmal ein Anlass zur Kritik gegeben wird. Das ist meiner Ansicht nach deutlich besser, als der Maulkorb, mit dem fast alle Politiker anderer Parteien inzwischen herumlaufen, was dazu führt, dass sie nur noch inhaltslose, sinnfreie Phrasen dreschen aus lauter Angst, sie könnten irgendeinen Eklat auslösen, der ihnen den Job kostet. Ich hoffe, dass in der Piraten-Partei grundsätzlich auch diese Einstellung herrscht. Letztlich geht es bei einem solchen Text, wie ihn Pavel geschrieben hat, darum, dass man gewillt und in der Lage ist, ihn zu verstehen. Die angeführten Vergleiche sollen dem Verständnis der betreffenden Vorgänge dienen und nicht eine Gleichsetzung mit dem zum Vergleich herangezogenen Subjekt. Das ist in Pavels Text unmissverständlich. Wer etwas anderes hineininterpretiert, ist verstandesmässig entweder überfordert oder er missversteht den Text absichtlich, was dann unter Polemik einzuordnen wäre. Damit befände man sich dann wieder im üblichen politischen Fahrwasser.

  22. „Es klingt eher so, als wolltest du zeigen: Selbst wenn ihr versucht, die Piraten zu bekämpfen, werdet ihr keine Erfolg haben.“
    Ich muss mich korrigieren, dein Text klingt durchaus nachdenklich.

    Das war aber nicht mein Punkt. Ich finde den Vergleich mit den Republikanern einfach unangemessen. Bei den Parteien am rechten Rand hat es immer eine gewisse Fluktuation gegeben. Das was früher die Republikaner waren, ist heute vielleicht die NPD.

  23. Das hier hat ja einige Kritik bekommen.

    „Glücklicherweise holen die Frauen aber in allen Bereichen der Gesellschaft zu den Männern auf. So zeigt etwa die Kriminalstatistik seit langem einen steigenden Anteil weiblicher Straftäter, und das ist auch gut so.“

    Aber selbst wenn man den zweiten Satz weglässt, wirkt es leicht paternalistisch:
    „Glücklicherweise holen die Frauen aber in allen Bereichen der Gesellschaft zu den Männern auf.“

    So als gäbe es nichts zu tun, auch wenn es nicht direkt gesagt wird.

  24. Zur Obergrenze der Leute, die Mobilisiert werden können.
    Ich tippe auf 60% 🙂
    je 10 % wählen Grün/CDU/SPD
    5% Linke
    2% FDP (die mit dem hohen Einkommen 😉 )
    3% Sonstige

    So ungefähr könnte das passen

  25. Warum nur 60%? Das kann man noch nicht an der Verfassung schrauben, so wird das nie was mit LqD.

  26. Mir gefällt diese kleine facettenreiche und gut strukturierte Analyse von Gesellschaft und Politik sehr gut. Danke dafür 🙂

  27. Wieso klappt ein Trackback nicht ? Na dann poste ich’s halt hier auch:

    Vielen Dank, Pavel für diese sehr gute Analyse, was die Piratenpartei ist und warum. Ich hoffe, der Artikel wird eine große Verbreitung finden, so dass man nicht mehr immer wieder Dinge in Veröffentlichungen lesen muss, die von Autoren verfasst werden, die sich in keiner Weise ernsthaft mit den Piraten beschäftigt haben.

  28. Dir ist schon bewusst, dass deine Website als Beispiel für eine besonders krude und unreflektierte Art des Umgangs mit altbackenden, vorurteilsbehafteten und klischeehaften Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit bei der SZ genannt wird oder? Und es ist einfach auch wirklich sehr sehr peinlich das zu lesen – unreflektierter gehts wirklich kaum – für solche urzeitlichen Meinungen kann ich auch CSU wählen -peinlich dass du da nichts änders und deine Meinung mal überdenkst! Schlimm peinlich! Aber schön einen auf Schweinchen Schlau schlau machen wa? Janz dolle mein Schatz!

    • Hannah Beitzer hat eine vorgefasste Meinung zum Thema Frauen und Piraten, die sie schon öfter zum Besten gegeben hat, aber dabei nicht immer besondere Recherchesorgfalt an den Tag gelegt hat, etwa, als sie mal Gefion Thürmer als weibliches Mitglied des Vorstands unterschlagen hat.

      Sie ist eine harte Vefechterin der Quote und hat offenbar ein Problem damit, zu akzeptieren, dass Quote und Gleichstellung auch negative Seiten haben.

      Ich bin bei ihr offenbar in den Schubladen „Mann“ und „Quotengegner“ gelandet. Ersteres trifft wohl zu, zur Quote habe ich mich etwas differenzierter geäussert, als sie das wahrnehmen möchte.

      Ihre Auswahl der Zitate ist auch keine geeignete Repräsentation meiner Aussage.

      Das sie diese für „Ungeschickt“ und „Dämlich“ hält, ist für mich ein Zeichen, wunde Punkte getroffen zu haben, die sie gern aus der Debatte ausgeklammert haben möchte.

      Ich kann mit ihrem Artikel gut leben und habe mich nicht einmal darüber aufgeregt, weil die meisten Leser meinen Text mit einer offeneren Wahrnehmung und Reflektion rezipiert haben und in der Lage waren, die Untertöne richtig zu verstehen.

  29. es ist für mich hochinteressant, wie dieser von Pavel analytisch und humanistisch grossartig formulierte Text von einigen wenigen Bloggern, zum Teil gender-verdeckt, durch spitzfindige Interpretationen nicht kommentiert sondern angegriffen wird,.