Amokläufe und das “System Schule” in Deutschland


Und wieder einmal ist es passiert. Eigentlich wollte ich nicht auch noch meinen Senf dazurühren, wo es doch seit einer Woche vor diesem Top-Medienereignis kein Entkommen gibt.

Wieder sind Killerspiele, das Waffengesetz, das Elternhaus, das Internet und diesmal, neu dabei, sogar Pornographie Gegenstand hitziger Diskussionen, und alle möglichen Politiker, Gruppen und Privatleute überbieten sich mit mehr oder weniger absurden Vorschlägen und Schuldzuweisungen.

Neu ist: Praktisch jeder, mit dem ich rede, ist aber erstmalig komplett angekotzt darüber, wie Medien und Politik sich derzeit gerieren.

Viele Politiker überbieten sich mit populistischem Gewäsch, um ihre Ahnungs- und Hilflosigkeit zu kaschieren, und die Pressemeute schreckt offenbar vor keinen Widerlichkeiten mehr zurück, um an Bilder und Originaltöne zu kommen. Wie wäre es zur Abwechslung mit einer Amokpressesondersteuer, die die Profite aus der Amokberichterstattung abschöpft und damit den Opfern und ihren Angehörigen hilft? Ich werde jedenfalls das, was ich in dieser Woche bereits weitgehend praktiziert habe, weiter fortsetzen: Keine Fernsehnachrichten mehr verfolgen, gewisse Zeitungen nicht mal mehr geschenkt annehmen, und auch die Internetseiten gewisser Nachrichtenmagazine ignorieren.

Da ich mich aber dem Medientsunami nicht vollständig entziehen konnte, fiel mir diesmal auf, dass die Schule und die Mitschüler ganz schnell aus der Diskussion heraus waren, denn es wurde ja nicht gemobbt, und die Schule ist auch eine ganz normale Schule. Dann ist ja alles gut.

Ich hätte mich da auch fast einlullen und ablenken lassen, wäre ich da bei der Suche nach Hintergründen nicht auf unerwartete Zahlen gestossen, die unangenehme Fragen aufwerfen:

Deutschland ist pro Einwohner betrachtet Weltmeister bei Schulamokläufen, noch deutlich vor den USA. Doch nicht nur dass: Wenn in Deutschland ein Amoklauf passiert, dann trifft es am häufigsten die Schule, und eher selten den Arbeitsplatz, die Familie oder Mitbürger allgemein. Das steht in krassem Gegensatz zu allen anderen Ländern.

Die Schule ist also bei deutschen Amokläufern Hassobjekt Nummer 1. Das ist einmalig auf der Welt.

Stimmt vielleicht etwas mit deutschen Schulen nicht? Ich habe seit langem diesen Eindruck, und stehe damit nicht allein. Wen die genaueren Zahlen interessieren, und wo ich das Problem mit dem deutschen “System Schule” sehe und was ich sonst noch zum Thema Amokläufe zu sagen habe, der kann meinen wie gewohnt viel zu langen und ausschweifenden Ausführungen folgen.

Wer stattdessen oder zusätzlich etwas von seriösen Fachleuten geschriebenes zum Thema Amoklauf lesen möchte, dem kann ich diesen Auszug aus dem Buch „Polizei & Psychologie“ von 2003 oder diese Analyse aus 2007 der Kriminalistisch-Kriminologischen Forschungsstelle NRW empfehlen.

Amokläufe in Zahlen

Für alle folgenden Zahlen habe ich mir folgende Definition von Amoklauf zu eigen gemacht: Ein Einzeltäter hat versucht, in kurzer Zeit, aber nacheinander möglichst viele Menschen zu töten und hat dabei mindestens sechs Menschen verletzt.

Bei dieser Definition sind Amokläufe grundsätzlich selten; in Deutschland habe ich seit 1913 nur 12 Fälle gefunden, in den USA 96, und weltweit “nur” 294.

Überrascht war ich, dass es drei weitere Fälle von Amokläufen in deutschen Schulen gegeben hat, die mir nicht bekannt waren, vermutlich, weil sie länger zurückliegen und nicht von Jugendlichen begangen wurden.

Da wäre etwa Walter Seifert, der 1964 mit einem Flammenwerfer und einer Lanze bewaffnet zwei Lehrer und acht Schüler in Köln ermordete.  Dann Karel Charva, der 1983 in Eppstein drei Schüler, zwei Lehrer und einen Polizisten tötete und 14 verletzte und vermutlich von wütenden Eltern gelyncht wurde. Oder der älteste verzeichnete Fall, Heinz Schmidt, ein dreissigjähriger Lehrer, der 1913 in Bremen vier Schüler getötet und achtzehn schwer verletzt hat. Darüberhinaus gab es noch eine Reihe von Rachemorden von Schülern bzw. Ex-Schülern, die man zwar auch als Amoklauf bezeichnen kann, die sich aber gezielt gegen bestimmte Personen richteten und aufgrund der Opferzahlen nicht in die oben definierte Kategorie von Amoklauf fallen: Meißen (1999), Brannenburg (2000), Freising (2002), Coburg (2003))

In der amerikanischen Wikipedia habe ich eine Liste von insgesamt 294 Fälle von Amokläufen gemäss oben stehender Definition gefunden. Die Zahlen sind zwar mit Vorsicht zu geniessen und dürften aufgrund der Nachrichtenlage für manche Länder und Gegenden kaum repräsentativ oder zuverlässig sein, die Zahlen für Deutschland und die USA dürften aber zumindest die Schlüsse zulassen, die ich daraus gezogen habe. Ein siebter Fall in der Liste der "School Massacres" in Deutschland, Robert Kausler, ereignete sich an der Hochschule in Erlangen und war eher eine Beziehungstat, daher habe ich ihn völlig weggelassen.

Die Listen in der Wikipedia unterscheiden nach Zielen, gegen die sich der Amokläufer gerichtet hat: Dabei  wird zwischen Schule, Arbeitsplatz, Familie, Mitbürgern allgemein und Angehörigen anderer Bevölkerungssgruppen unterschieden, die etwa einer anderen Religion oder Rasse angehören.

Ich habe die Listen für ausgewählte Länder und die Welt als Ganzes ausgewertet. Hier zunächst die nackten Fallzahlen:

Tabelle

Umgerechnet auf die Zahl der Einwohner ergibt sich folgendes Bild;

Als erstes fällt auf, dass man die Werte auf 100 Mio. Einwohner skalieren muss, sonst werden die Zahlen zu klein. Amokläufe sind extrem selten, viel seltener etwa als Terroranschläge, von denen pro Jahr weltweit zwischen 50 und 100 verübt werden. Einzelne Morde sind auch viel häufiger, allein in Deutschland pro Jahr 300 bis 700,  mit seit 1996 stark rückläufiger Tendenz. In nur etwa 15% “gewöhnlicher” Morde sind übrigens Schusswaffen beteiligt, Menschen finden offenbar genug andere Mittel und Wege, um zu töten.

Für ausgewählte Länder verteilt  sich die Gesamtzahl der Fälle je Land prozentual auf folgende Ziele:


Das für mich überraschendste an den Zahlen ist, dass sich Amokläufer in Deutschland in erster Linie gegen eine Schule wenden und ganz selten gegen den Arbeitsplatz. Die Familie und Mitbürger allgemein sind auch deutlich seltener Ziel, Amokläufe gegen andere Bevölkerungsgruppen spielen nur in Israel und Südafrika eine Rolle.

Das "Zielprofil" in Deutschland unterscheidet sich deutlich von den USA und allen anderen Ländern, nirgendwo sonst liegen Schulen so weit vorn. Und nicht nur das, auch im Verhältnis zur Einwohnerzahl kommen Amokläufe an deutschen Schulen offenbar doppelt so häufig vor wie an Schulen in den USA. Schulen waren in Deutschland häufiger Schauplatz als Arbeitsstätten, Familien und der öffentliche Raum zusammengenommen. Ein weiterer Unterschied zu den USA scheint auch zu sein, dass praktisch alle Täter in Deutschland Selbstmord begangen haben, während in den USA rund die Hälfte der Täter überlebt hat.

Was zum Teufel hat das jetzt zu bedeuten? Lieben die Deutschen die Arbeit und hassen die Schule? Sind die Zahlen falsch oder irreführend? Man müsste das wohl noch für andere Definitionen von Amoklauf überprüfen, denn eine Reihe von Fällen am Arbeitsplatz und an Schulen (siehe oben) sind aufgrund der hier verwendeten Definition von Amoklauf nicht in der Liste, und auch vereitelte oder misslungene Versuche tauchen auch nicht auf. Das sollten sich die Profis mal ansehen.

Auf jeden Fall kann man konstatieren, dass Deutschland weltweit führend ist bei Schulmassakern “erfolgreicher” Amokläufer gemäss oben stehender Definition. 

Stimmt etwas nicht mit deutschen Schulen?

Die Amokläufe an Schulen in Deutschland den Schulen anzulasten, wäre sehr kurz gedacht. Es könnte auch an den Eltern liegen, die sich aus der Erziehung der Kinder zurückgezogen haben und die Kinder daher emotional verwahrloster sind, oder an einer allgemein größeren Kluft zwischen Kindern und Erwachsenen als in anderen Ländern. Wenn es so wäre, wüsste niemand, was man so einfach dagegen tun sollte. Wenn das Problem aber etwas mit der Art und Weise zu tun hat, wie das Schulsystem in Deutschland organisiert ist und praktiziert wird, könnte man sehr wohl etwas ändern.

Dass die Häufung von Amokläufen an deutschen Schulen aber etwas mit dem System Schule in Deutschland zu tun haben muss, lässt sich wohl nicht wegdiskutieren, auch wenn die Politik das gegenwärtig versucht, weil sie an das schwierige Thema nicht ran will. Wenn gehäuft Mitarbeiter der Post in der Firma Amok laufen würden, käme wohl kaum jemand auf die Idee, das Problem bei Killerspielen und Waffen zu suchen und nicht das Betriebsklima bei der Post zu hinterfragen.

Denn dass an vielen Schulen einiges nicht stimmt, steht nicht nur für mich ausser Frage, sehr viele, mit denen ich über ihre Schulerfahrungen gesprochen habe, haben ähnliches berichtet. Sicher gibt es auch andere Erfahrungen, aber viele werden im Folgenden wohl leider ihre eigene Schulzeit wiedererkennen. Und für viele muss es ein schlimmerer Horror gewesen sein, als ich mir vorstellen kann.

Meine persönliche Erfahrung mit Schule war rückblickend keine Zeit, an die ich mich besonders gern zurückerinnere, obwohl ich eher wenig Probleme hatte. Das Lernen fiel mir leicht, die Noten waren gut, und gehörte zwar nicht zu den Stars in der Klasse, mit denen jeder unbedingt befreundet sein wollte und auf die die Mädchen flogen, aber ich hatte einen Kreis guter Freunde, darunter auch einige der “Stars”, und wurde selten gemobbt oder ausgelacht, und wenn, dann wusste ich mich zu wehren, meist mit Humor, gelegentlich auch mit der Faust.

Dennoch, als ich nach zwanzig Jahren wieder ein Schulgebäude betreten musste, um meine Tochter einzuschulen, hatte ich ein ziemlich beklemmendes Gefühl. Ich muss seinerzeit deutlich mehr Abneigung empfunden und mehr gelitten haben, als mir bewusst gewesen war.

Einige Erlebnisse und Erfahrungen haben mich erst Jahre später wütend gemacht, nachdem ich sie als Erwachsener einordnen konnte und mit anderen Massstäben bewertet habe. Für manche Dinge wiederum, die wir als Schüler den Lehrern angetan haben, habe ich mich im nach hinein eher geschämt. Sicher lassen sich meine Erfahrungen nicht ohne weiteres verallgemeinern. Jede Schule, jede Klasse und jeder Lehrer können sehr verschieden sein können, und jeder Schüler empfindet sie anders. Ich erwarte auch nicht, dass Schule reines Zuckerschlecken sein muss, aber Anspruch und Wirklichkeit an deutschen Schulen klaffen meiner Meinung nach weit auseinander, und ich befürchte, dass das folgende eher die Regel als die Ausnahme ist:

Für das Leben lernen?

Ich bin wissbegierig und lerne schnell und leicht. Die Schule war für mich aber ein Ort, an den ich mich früh morgens begeben musste, egal, ob ich lieber anderswo gewesen wäre, und wurde gezwungen, dort Dinge zu tun, die ich überwiegend nicht tun wollte, und die meisten Dinge, die ich gern gelernt hätte, musste ich mir neben der Schule aneignen. Mit den meisten Mitschülern verband mich vor allem die Tatsache, der selben Leidensgemeinschaft anzugehören. Eine Leidensgemeinschaft von Schülern, die sich im kalten Krieg mit der Schule befand, aber keine Hoffnung hatte, diesen Krieg jemals gewinnen zu können.

Das Ende der Schulzeit lag gefühlt Jahrhunderte in der Zukunft und schien wenig verheissungsvoll. Bei Klagen bekam ich auch zu Hause zu hören: “Warte mal ab, wenn du erst erwachsen bist und arbeiten musst, dann wirst du Dich nach der Schule noch zurücksehnen.” Ich habe mich kein einziges mal zurückgesehnt, selbst den Wehrdienst bei der Bundeswehr habe ich rückblickend als weniger unangenehm empfunden als die Schule.

Bei der Bundeswehr waren die Regeln klar, und es versuchte mir niemand einzureden, es sei alles nur zu meinem Besten. Es war ein Dienst, den man ableistete, und es gab sogar etwas Sold. Hilfreich für meine Moral war auch, dass ich mich trotz allem halb als “Freiwilliger” fühlte, denn ich hätte ja auch Zivildienst machen können. Kaum jemand weiss vermutlich zu schätzen, wie sehr die faktische Wahlmöglichkeit zwischen Wehr- und Zivildienst die Moral in beiden Bereichen verbessert.

Doch zurück zur Schule. Unsere Lehrer waren weder besonders grausam oder schlimm, aber an uns als Individuen wenig interessiert, und meist ungerecht in der Benotung. Sie liessen sich bei der Benotung stark von Sympathien und Antipathien leiten. Ich selbst bin meist gut weggekommen, bis auf einen Deutschlehrer, mit dem mich eine tiefe gegenseitige Abneigung und Verachtung verband.

Das alles war aber ein schwieriger sozialer Balanceakt, denn bei einem Lehrer beliebt zu sein konnte leicht Probleme mit den Mitschülern verursachen, schliesslich herrschte ja dieser nicht erklärte kalte Krieg, in dem man nicht zum Verräter gestempelt werden wollte, und die meisten Lehrer standen ja “auf der anderen Seite”.

Diejenigen Lehrer aber, die glaubten, auf unserer Seite zu stehen und sich eher kameradschaftlich verhielten, haben wir gern in dem Glauben gelassen, aber nach Strich und Faden verarscht, meist ohne, dass sie es merkten.

Die Schwachen unter den Lehrern aber haben wir terrorisiert und fertig gemacht. Sie waren diejenigen, die stellvertretend unsere ganze innere Wut auf das System Schule zu spüren bekommen haben.

Die Kategorie von Lehrern, die aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihres Engagements respektiert wurde, war äußerst dünn gesät, bei mir fielen zwei von etwa dreissig Lehrern in diese Kategorie.

Alle anderen wussten sich auch Respekt zu verschaffen, aber nicht aufgrund ihrer Persönlichkeit, sondern weil sie das System Schule vertraten.

Uns Schülern war sonnenklar, dass die Lehrer am längeren Hebel saßen, und der Hebel waren die Noten und Zeugnisse, mit denen die Lehrer unsere ganze Zukunft im Würgegriff hatten. Die Methoden, uns das vor Augen zu führen, waren zwar sehr verschieden, von subtil bis laut, aber die “Message” war klar: Widerstand ist zwecklos.

Wieso Widerstand, wird sich jetzt der eine oder andere Fragen, schliesslich ging es doch um eine Vorbereitung auf das Leben, eine wertvolle Ausbildung, um die uns viele Kinder und Jugendliche in der Welt beneiden müssten, die nicht dieses Privileg haben. Warum sollte man dagegen Widerstand leisten?

Wir sahen das nicht so, und das lag nicht an jugendlicher Verblendung, sondern daran, dass wir weder das Gefühl hatten, unsere Ausbildung mit gestalten zu können, noch, dass diese auf unsere Bedürfnisse ausgerichtet war. Es gab zwar zunehmend mehr Wahlfächer, und gelegentlich wurden wir auch gefragt, ob wir dieses oder jenes Buch im Unterricht behandeln sollen, aber nur selten fanden aktuelle Ereignisse Eingang in den Unterricht. Überwiegend war alles vorgegeben, der ganze Unterrichtsstoff, und vor allem die Schulbücher, die dem zugrunde lagen.

Im Rückblick schien alles darauf abzuzielen, uns auf eine Karriere als Staatsdiener oder als Angestellter in einem Grosskonzern vorzubereiten. Und dafür schien es wohl notwendig, uns beizubringen, uns bedingungslos unterzuordnen. Unternehmerische Fähigkeiten, das Übernehmen von Verantwortung, das Eingehen von Risiken, all das wurde uns eher ausgetrieben.

Bloss die Klappe halten

Bereits in der zweiten Klasse wurde ich von der Schule das erste Mal schwer enttäuscht, als im Religionsunterricht die Schöpfungsgeschichte als Wahrheit dargestellt wurde und meine vorsichtige Nachfrage, wie sich das denn mit der Theorie vom Urknall in Einklang bringen liesse, von der Religionslehrerin ziemlich harsch abgebügelt wurde.

Im Laufe der Zeit wurde schnell klar: Wer zu kritisch hinterfragt, wer eine andere Meinung zu Sachfragen vertrat als der Lehrer, wer ihn zu oft auf Fehler hinwies oder irgendwie aufmuckte, hatte es nicht leicht in der Schule. Da ich mir ausserdem bewusst war, dass mein Hebel nur ganz klein und kurz ist, habe Ich mich angepasst und im Unterricht das getan, was von mir erwartet wurde. Oder zumindest den Lehrern gegenüber den Eindruck erweckt. Tatsächlich habe ich mich oft erfolgreich durchgemogelt und ziemlich viel Mist gebaut in dieser Zeit. Mit dem Herzen oder mit Begeisterung war ich aber selten im Unterricht anwesend, obwohl es diese Momente auch gab.

Halbwegs erträglich wurde die Schule nur durch die Freunde und die insgesamt gute Klassenkameradschaft, die wir hatten. Ich möchte nicht wissen, welcher Horror es sein muss, wenn man das alles allein oder vielleicht noch gegen die anderen Schüler durchstehen muss, und dazu vielleicht noch in seinen Noten so weit abfällt, dass der Abschluss in Gefahr ist.

Ich fand die Erfahrung trotz guter Noten und guter Kameradschaft bereits hinreichend unangenehm, und in meinen Albträumen damals waren die Schule und einige Lehrer häufiger vertreten .

Dabei war ich aber eigentlich begierig zu lernen, und tue das heute noch mit Begeisterung. Wissen und Erkenntnis sind für mich tiefe Bedürfnisse, und das hat mir auch die Schule nicht austreiben können. Im Alter von 12 Jahren hatte ich zusätzlich an der Volkshochschule Kurse zu Elektronik und Mikroprozessortechnik belegt, so dass einzelne Tage manchmal mit zwölf Unterrichtsstunden angefüllt waren und bis zehn Uhr abends dauerten, aber die zusätzlichen Unterrichtsstunden waren das totale Kontrastprogramm zur Schule. Ausser mir und einem Freund sassen da nur Erwachsene, und ich fühlte mich dort wie ein normaler Mensch, nicht als “Schüler”. Es gab auch Prüfungen, aber deren einziger Zweck war der, selbst einschätzen zu können, wie viel man denn vom Stoff verstanden hat, und kein Druckmittel. Das war auch nicht nötig, denn es gab ja keine Pflicht, teilzunehmen.

Die Schulpflicht ist sicher ein Teil des Problems, aber mir fällt auch keine bessere Alternative ein, die Abschaffung wäre wohl eher “das Kind mit dem Bade auszugiessen”.

Die weichgespülte Welt der Schulbücher und Lehrpläne

Mit etwas Abstand, etwa fünf bis zehn Jahre nach Ende der Schulzeit, wurde ich noch einmal richtig wütend auf die Schule, als mir zunehmend auffiel, dass nicht nur viel Zeit im Unterricht mit oberflächlichen Belanglosigkeiten verschwendet worden war, sondern dass viele elementar wichtige Dinge ausgespart oder sogar derart verfremdet gelehrt worden sind, dass ich mich betrogen fühlte, und mein Vertrauen und meine jugendliche Naivität missbraucht worden sind, um mir allerlei falsche Vorstellungen in den Kopf zu setzen.

Wenn man von einem Fachgebiet etwa versteht, dann genügt oft ein Blick in die entsprechenden Schulbücher, um zu verstehen, was ich meine.

Ich hatte irgendwann begonnen, mich aus “echten” Büchern zu informieren, und erst da wurde mir klar, mit was für einer weichgespülten, glattgebügelten und obrigkeitskonformen Variante von Realität wir da abgespeist wurden.

Die ganze Wissenschaftsgeschichte bestand scheinbar aus einer Reihe von Heroen, die einträchtig Baustein an Baustein aneinander gefügt hatten, bis die strahlende Wissenskathedrale errichtet war, in deren Vorhallen wir hineingeführt werden sollten. So war jedenfalls der Eindruck, den der Unterrichtsstoff bei mir hinterliess.

Auch über die Ausmasse des gesamten Wissensgebäudes und die Zusammenhänge zwischen den Räumen wurden wir weitgehend im Dunkeln gehalten, da wurde hier ein Raum gezeigt, dort einer geöffnet, aber die Querverbindungen oder das System dahinter, das war offenbar nicht erwähnenswert oder sogar den Lehrern unbekannt.

Über den Lehrplan wurde allenfalls für das nächste Halbjahr im voraus gesprochen, wir hatten keine Ahnung, was denn da noch kommen wird. Hätte ich etwa gewusst, dass Biologie in der 11. Klasse im wesentlichen organische Chemie ist, hätte ich mir das gespart, das Thema hatte ich in wesentlicher größerer Tiefe und Breite schon in der Mittelstufe durchdrungen. So konnte ich mir zwar 15 Punkte abholen, aber eigentlich war das komplette Zeitverschwendung.

Und kaum ein Wort wurde darüber verloren, wie schwer es denjenigen gemacht wurde, die etwas am Wissensgebäude verändern oder reparieren wollten, und wie morsch, beliebig oder unfertig das ganze Gebäude an vielen Stellen unter der Tapete ist.

Ein paar Beispiele

Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, bei der Behandlung der “Mendelschen Regeln” auch zu erfahren, dass der “Vater der Genetik”, Gregor Mendel, krank und in Armut gestorben ist, ohne zu Lebzeiten Anerkennung dafür zu erlangen, dass er den bis dahin unbekannten Mechanismus gefunden hat, der die Evolution möglich macht. Und vor allem hätte ich gern gehört und diskutiert, warum er von seinen Zeitgenossen so verkannt wurde, und wieso sein Name dann doch bekannt wurde.

Die “führenden” Biologen seiner Zeit ergingen sich nämlich lieber in philosophischen Traktaten, und Experimente, bei denen man im Dreck graben und auch noch Zahlenreihen auswerteten musste, wurden von ihnen als unwürdige Tätigkeit angesehen.

Dass wir heute die “Mendelschen Regeln” nicht etwa als die “Vries’schen Regeln” kennen, ist dem vorbildlichen ethischen Verhalten derjenigen zu verdanken, die diese Regeln sechzig Jahre später unabhängig neu entdeckten und vor der Veröffentlichung auf die bis dahin unbeachteten und vergessenen Arbeiten von Mendel stiessen. Dass sie Mendel posthum zu Ehren verhalfen, statt die Entdeckung für sich selbst zu reklamieren, zeigt sehr eindrucksvoll einen höchst ehrenwerten Charakter.

Ich hätte mir auch den Hinweis darauf gewünscht, dass auch heute noch Wissenschaft in grossen Teilen kein zweckfreier Erkenntnisgewinn ist, sondern stark von der Politik und Wirtschaft instrumentalisiert wird und Trends und Moden folgt. Und dass neue wichtige Erkenntnisse, die die herrschende Meinung in Frage stellen oder wirtschaftliche Interessen gefährden, es ungleich schwerer haben, sich durchzusetzen, und die Wissenschaft dadurch oft lange falschen Vorstellungen anhängt. Und dass verbreitete, aber falsche Theorien selten widerlegt werden, sondern meist ihre Anhänger erst aussterben müssen.

Natürlich kamen Giordano Bruno und Galileo Galilei im Unterricht vor, die beide vor langer Zeit Probleme mit der Kirche hatten. Dass Bruno aber mit festgebundener Zunge auf dem Campo de’ Fioro lebendig verbrannt wurde, weil er die Existenz des Jenseits in einem unendlichen materiellen Universum bestritt und begründete Zweifel daran äußerte, das Jesus der Sohn Gottes gewesen sei, solche Details werden in der Schule gerne ausgespart. Dass Bruno war ein unbelehrbarer Rebell war, während Galileo als “Teil des Establishments” mit Hausarrest davonkam, hätte bei uns sicher Sympathien für Bruno geweckt.

Zeitgenössische Politik und Wirtschaft wurden ebenfalls weitgehend ausgespart, und wenn sie vermittelt wurden, dann als blutleere, mechanische Gebilde. Persönliche Meinungen und Bewertungen waren verpönt, bitte nur neutrale Fakten.

Aber auch bei den Fakten wurde vieles von dem ausgespart, was zum Erlangen von Mündigkeit eigentlich unentbehrlich ist.

Unser Steuersystem? Fehlanzeige. Unser Rechtssystem? Ein weisser Fleck. Informatik? Wir hatten bei uns immerhin Ende der 1970er Jahre bereits einen Computer und Informatikunterricht als Schulversuch, aber als ich in der siebten Klasse darum bat, ihn nach dem Unterricht nutzen zu können, wurde ich auf die neunte Klasse vertröstet. Bis dahin hatte ich bereits meinen eigenen. Damit war bei mir jeglicher Rest an Illusion, das die Lehrer vielleicht doch an meiner Förderung interessiert sein könnten, endgültig dahin. Als dann der Informatikunterricht zwei Jahre später begann, konnte ich zwar leicht Punkte sammeln, viel Neues gelernt habe ich aber nicht mehr.

Elektronik? In der Oberstufe im Leistungskurs Physik mussten wir genau vorgegebene Versuche mit teuren Steckbaukästen nachvollziehen, die nicht richtig funktionierten. Wer etwas anderes zusammengebaut hat oder etwas damit spielen wollte, bekam Ärger.

Physik? Unsere Schule war bestens ausgestattet mit grossartigem technischen Spielzeug,  Laser, Van-de-Graaff Generatoren, Influenzmaschinen, Luftkissenbahnen, Oszilloskope, optische Bänke, Geigerzähler und alle möglichen Messgeräte. Das meiste davon haben wir im Unterricht nie oder nur vorne auf dem Pult zu sehen bekommen. Das es diese ganzen Schätze überhaupt gab, habe ich durch Zufall entdeckt, als der Lagerraum ausserhalb des Unterrichts einmal unverschlossen war. Mit einem Freund zusammen haben wir dann stundenlang alles mögliche ausprobiert. Wären wir dabei erwischt worden, hätte es riesigen Ärger gegeben, denn das alles war ja viel zu gefährlich und viel zu teuer, als das man da einfach so Schüler ranlassen könnte. Nein, wir sind nicht durch den Laser erblindet, haben uns nicht radioaktiv verstrahlt und sind auch nicht elektrokutiert worden. Obwohl kein Lehrer dabei war.

Chemie war der einzige Lichtblick, aber erst, als ein junger, äußerst engagierter Lehrer an die Schule kam. Davor gab es eine Lehrerin, die für ihre Versuche mit besonders kleinen Stoffmengen bekannt war, die dann in einem winzigen Reagenzglas vorn auf dem Pult die Farbe wechselten oder sich auf dem Boden ablagerten. Da war es interessanter, jemandem dabei zuzusehen, wie er sich Milch in den Kaffee gibt.

Ganz anderes dagegen der neue Chemielehrer, Herr Krüger. Sah aus wie Frank Zappa, kannte die gesamte Geschichte der Rockmusik und klärte uns auf, was Bandnamen wie 10cc (Samenmenge bei der Ejakulation) oder AC/DC (bisexuell) eigentlich bedeuten, und machte einen Unterricht, der ebenfalls rockte.

Er hatte mindestens fünf einschlägige Zeitschriften mit neuesten Experimenten abonniert, und der Unterricht bei ihm war zwar nicht ganz ungefährlich, aber wenn man eine Schutzbrille trägt, sind ein paar Glassplitter in der Backe nicht so tragisch. Bei ihm haben wir nicht nur eigene Kristalle in allen Farben und Formen gezüchtet und Verbindungen zusammengemischt, die im Dunkeln leuchten, vor allem aber qualmte, zischte, brodelte und knallte es oft gewaltig. Wir haben Nitroglyzerin und Tränengas synthetisiert, die Reaktionsfreudigkeit von Tetrachlormethan mit Alkalimetallen erlebt, metastabile Bromverbindungen durch Kitzeln mit einem Faden zu Explosion gebracht und Stahlplatten mit Thermit verschweisst oder durchlöchert. Dazu haben wir eine ganze Menge Theorie gelernt, und wir haben es mit Begeisterung getan. Er war der einzige Lehrer, der uns nicht wie unmündige Kinder behandelt hat, sondern uns etwas zugetraut, aber niemals etwas zugemutet hat. Er hat uns eindrucksvoll die Gefahren chemischer Reaktionen vor Augen geführt und uns die notwendigen Sicherheitsmassnahmen beigebracht, und so haben wir auch seinen Unterricht überlebt. Und wir haben ihn für seinen Mut bewundert, denn wenn etwas passiert wäre… Ist es aber offenbar nicht, er unterrichtet heute noch, und ich hoffe, dass er nichts von seinem damaligen Elan verloren hat.

Geschichte dagegen? Eine neutrale Abfolge von Herrschern, Religionen, Staaten und selten auch Volksgruppen, die sich bekriegen und in der Herrschaft abwechseln. Wie normale Menschen damals gelebt haben, dass die Römer bereits unter Wasser abbindenden Zement und Druckwasserleitungen aus Metall benutzt haben und ihr Reich und ihre Kriege als Franchisesystem betrieben, in der Schule kam das nicht vor.

Auch nicht, dass das Mittelalter gar nicht so finster war, sondern eine wichtige Phase breiter wirtschaftlicher und technologischer Entwicklung, in der sich etwa die wichtigste Maschine der Menschheit, die Mühle, grossflächig über Europa ausgebreitet hat.

Apropos Mühle: Als wir einmal ein Mühlenmuseum besichtigt haben, blieb als Eindruck nur ein toter Haufen von Brettern, Steinen und Zahnrädern.

Ich hätte dagegen damals schon gern erfahren, wie viel technisches Wissen und Know-How zum Bau und Betrieb der Mühlen nötig war, und dass Mühlen praktisch regionale Technologiezentren mit Metall-, Holz- und Steinwerkstätten waren und dort die Anfänge einer breiten Mittelschicht entstanden, die sich wiederum mit Hilfe von der Oberschicht erlassener Mühlengesetze von den einfachen Bauern abgrenzen und diese wirtschaftlich abhängig machen konnte.  Und dass Müller daher jahrhundertelang beim Volk unbeliebt waren und als unehrliche Abzocker galten, die verdächtigt wurden, mehr vom Korn als Bezahlung für das Mahlen einzubehalten, als ihnen zustand.

Und dass als Folge der Bedeutung und Verbreitung von Mühlen und den dazugehörigen Schmieden wohl die Namen Müller und Schmidt die häufigsten Familiennamen in Deutschland sind, vor Schneider, Fischer, Weber, Meyer, Wagner, Becker und allen anderen Berufsnamen, die in der Liste der häufigsten Familiennamen gleich darauf folgen. Und warum sich die Deutschen vor Jahrhunderten überwiegend nach ihren Berufen benannt haben und was das über ihr Verhältnis zur Arbeit aussagt.

Derartige kleine Perlen des Wissens fanden sich bei uns im Unterricht kaum. Vielleicht ist das durch das Internet besser geworden, wenn nicht, wäre das unverzeihlich.

Geschichte handelte überhaupt vor allem von grossen Herrschern und grossen Zeiten, wobei man den Herrschern selten als Person nahe kam, es ging meist nur um Feldzüge oder Reformen, dabei hätte mich sehr interessiert, was das eigentlich für Typen waren. Und wenn es dann doch um das Leben der einfachen Leute ging, dann wurde wiederum viel ausgespart, weil man offenbar meinte, dass bestimmte Details dann doch nicht kind- oder jugendgerecht sind.

Philosophie? Wenn ich mir aktuelle Lehrpläne anschaue, die ja immerhin im Internet gibt, ist das wohl kaum besser geworden. Das Fach gibt es offenbar nach wie vor nur ab der 11. Jahrgangsstufe, und der Lehrplan ist aus meiner Sicht ein Paradebeispiel dafür, wie man die Dinge für die Schule bis zu Unkenntlichkeit entstellen kann und die Schüler eher davon abhält, sich weiter damit auseinanderzusetzen.

Die heutigen und vermutlich auch die damaligen Lehrpläne für Philosophie sind wie ein fröhliches Potpourri mit Versatzstücken aus klassischer Musik, Swing, Jazz, Volksmusik, Kuschel-Rock und ein bisschen Techno, nur, dass man die Herkunft der einzelnen Teile und die Namen der Bands und Komponisten nicht erfährt. Ausserdem fehlen jegliche Elemente von Punk und Death Metal.

Denn wenn man erwartet, im Fach Philosophie in der Schule etwas über die Liebe zur Weisheit eines Sokrates, Platon, Aristoteles, Ockham, Descartes, Machiavelli, Spinoza, Leibniz, Kant, Hobbes, Locke, Voltaire, Fichte, Schilling, Hegel, Schopenhauer, Kierkegaard, Nitsche, Mach, Heidegger, Wittgenstein oder Habermas zu erfahren, dann wird man massiv enttäuscht werden. Vermutlich wird man nicht einmal die Namen dieser Leute hören, geschweige denn, wofür sie stehen.

Leute! Einem Zwölftklässler kann man ruhig auch mal etwas authentisches zumuten. Es ist ja ganz schön, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, die philosophischen Erkenntnisse von zweieinhalb Jahrtausenden zusammenzufassen, um sie in hundert Unterrichtsstunden zu pferchen, aber das dann noch Philosophie zu nennen, halte ich für anmassend. Ich hatte damals jedenfalls nicht begriffen, worum es eigentlich geht, und nicht einmal ein Packende oder einen Überblick in die Hand bekommen, um zu wissen, wo es sich für mich lohnen könnte, mich selbstständig weiterzubilden. Ich habe das immer als schmerzliche Bildungslücke empfunden.

Ein guter Anfang wäre gewesen, sich das Werk von Aristoteles anzusehen. Das allein genügt, um wahre Kronleuchter der Erkenntnis aufgehen zu lassen und festzustellen, wie massiv unser heutiges Denken von zweitausend Jahre alten Vorstellungen geprägt ist. Vorstellungen, die wir alle so tief verinnerlicht haben, dass wir uns gar nicht darüber bewusst sind, dass sich das jemand mal ausgedacht haben könnte und man die Welt auch völlig anders sehen kann.

Wir merken gar nicht, dass beispielsweise die Begriffe “Objektivität“ und “Wahrheit”, die in unserem Denken eine fundamentale Rolle spielen, in anderen Kulturen einen ganz anderen Stellenwert haben können. Und obwohl sich die Philosophie seit mehr als zwei tausend Jahren mit dem Begriff der “Wahrheit” als einem der wichtigsten Grundbegriffe beschäftigt, gibt es keine Einigkeit darüber, was Wahrheit ist und ob es sie überhaupt gibt. Obwohl das Konzept grosse theoretische und praktische Probleme bereitet, halten wir krampfhaft daran fest, weil wir Angst haben, die Welt ins Chaos zu stürzen, wenn wir es aufgeben. Auf der Annahme, es gäbe so etwas wie Objektivität und Wahrheit, beruhen nicht nur unser Wissenschafts- und Rechtssystem, sondern auch die Schulnoten. Daher hat die Schule mit der Philosophie von Aristoteles auch kein Problem, im Gegenteil, sie verkörpert sie.

Schwieriger hat es die Schule es da schon mit den Ideen der Aufklärung. Meinem Schulunterricht nach war das Zeitalter der Aufklärung halt so ein Zeitalter, in dem der Einfluss der Kirche und des Adels “zurückgedrängt” wurde und es zur Revolution kam, die wie alle Revolutionen zwar am Ende gescheitert ist, aber trotzdem alles zum besseren gewendet und uns von der dogmatischen Herrschaft der Kirche und der Willkürherrschaft des Adels befreit hat.

Tatsächlich war die Aufklärung eine grossartige Sache, immerhin wurden da die Menschenrechte erfunden, aber sie ist noch immer nicht in der Breite unserer Gesellschaft angekommen, und ein Satz von Kant trifft auch heute noch den Kern des Problems: „Es ist für den Einzelnen schwierig, die Unmündigkeit zu überwinden, weil sie den meisten Menschen als Normalität erscheint.“ Für die Schule gilt das aber offenbar auch, möchte man hinzufügen.

Und leider möchte man gegenwärtig vielen Leuten, vor allem aber unseren Politikern ein lautes “Sapere Aude!” zurufen. (“Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!” ).

In der Schule jedenfalls ist die Nutzung des eigenen Verstandes nur bedingt gefragt und nur insoweit den Noten zuträglich, wie sie sich im vorgegeben Rahmen bewegt und zu den vorgegeben Schlüssen kommt.

Das trägt sicher dazu bei, dass die meisten Menschen auch nicht auf die Idee kommen, die in der Schule erworbenen Fähigkeiten ausserhalb der Schule oder des Berufs einzusetzen. Die meisten Menschen, die ich kenne, kommen selten auf die Idee, Mathematik im Alltag einzusetzen, mit ihrem Wissen über Physik alltägliche Vorgänge besser zu verstehen, ihre Geschichtskenntnisse in politischen Diskussionen anzubringen oder werden vom Deutschunterricht inspiriert, im Alltag selbst zu schreiben oder fremde Texte zu analysieren. Sie sind nach der Schule meist froh, das alles hinter sich zu haben.

Dass Deutschland kein wirklich aufgeklärtes Land ist, kann man auch direkt an der gegenwärtigen Medienhysterie ablesen. Unser demokratisches System und insbesondere die Politik in Deutschland geht vermutlich sogar zu Recht von der Annahme aus, das die grosse Zahl der Menschen in Deutschland im Sinne von Kant nicht mündig sind, und die Schule geht sogar explizit davon aus, dass Schüler unmündig sind und erst zu mündigen Bürgern "gemacht " werden müssen. Wie man aber mit dem Noten- und Zeugnisknüppel den Schülern die Mündigkeit einbläuen will, das kann ich beim Gebrauch meines eigenen Verstandes beim besten Willen nicht nachvollziehen.

Um das Thema Philosophie noch abzuschliessen: Wenn es schon grosse Probleme mit der Vermittlung einer “aufgeklärten” Weltsicht und der Erziehung zur Mündigkeit gibt, dann hört es bei der “Postmoderne” endgültig auf. Wie soll eine staatliche Schule denn auch bitte überzeugend vermitteln, dass ihr eigenes geistiges Fundament auf höchst fragwürdigen Annahmen beruht?

Das kohärente Weltbild, das die Kultusministerkonferenz den Schulen zu vermitteln aufträgt, ist auf jeden Fall ein Trugbild.

Lehrer

Ich hatte eingangs bereits gesagt, dass sich meine Erfahrungen nur schwer verallgemeinern lassen, und es auch andere Erfahrungen, bessere Schulen und engagierte Lehrerpersönlichkeiten gibt, die einem Schüler viel wichtigere Dinge auf den Weg mitgeben als den Lehrstoff, aber die werden nach meinem Eindruck eher seltener. Dank der ungeliebten Bewertung von Lehrern im Internet wird man bald auch fundierte Aussagen dazu machen können. Generell sollte durch das Internet vieles in der Schule leichter und besser geworden sein, insbesondere, neben den Schulbüchern weitere Informationsquellen hinzuzuziehen.

Gleichzeitig scheint mir die Rolle der Lehrer aber immer schwieriger zu werden, und ich kenne einige besonders engagierte Lehrer, die von den Schülern gemocht wurden, die Schule und das Unterrichten mochten, und die trotzdem alles hingeworfen haben, weil sie sich unter den Vorgaben von "oben" nicht mehr in der Lage sahen, ihre Vorstellungen von einem guten Unterricht weiterhin umsetzen zu können.

Und, worüber gern geschwiegen wird, es gibt unter den Lehrern vereinzelt auch echt widerliche Typen, sadistische Arschlöcher und Psychopathen, die loszuwerden vornehmste Aufgabe eines guten Schuldirektors ist. Leider landen die dann meist nur an anderen Schulen, wenn sie erst einmal verbeamtet sind. Solche Leute akkumulieren sich dann an Schulen mit schwachem Direktorium, die sich vermehrt an unattraktiven Orten finden.

Lehrer werden nach meinem Eindruck von vier Seiten gleichzeitig zunehmend unter Druck gesetzt: Da sind die Schulbehörden und Kultusminister, die mit Pisa-Vergleichen, Schulzeitverkürzungen und immer neuen Vorgaben bei gleichzeitig knappen Mitteln den Lehrern immer mehr Bürokratie aufbürden. Dann eine immer ichbezogenere Elternschaft, die ihre eigenen oft seltsamen Vorstellungen umgesetzt sehen will und immer vehementer agiert. Dann die Schüler, die im Internetzeitalter gross werden und unbefangen und selbstverständlich moderne Informationstechnologie nutzen, die vielen Eltern und Lehrern Rätsel aufgibt. Und schliesslich noch die rasante Entwicklung des Wissens in vielen Bereichen, die eine ständige fachliche Weiterbildung der Lehrer erfordert, wofür nicht immer ausreichen Zeit bleibt.

Wenn Lehrer, die dem Druck nicht standhalten können, nicht den Ausweg in die Krankschreibung oder Dienstunfähigkeit hätten, müsste man sich nicht wundern, wenn wieder einmal ein Lehrer Amok läuft wie zuletzt 1913.

Alles in allem habe ich auch keine Patentlösung parat, aber mir erscheint die beschworene und praktizierte Vereinheitlichung von Lehrplänen genau in die falsche Richtung zu gehen. Wenn die Gesellschaft immer vielfältiger und vielseitiger wird, kann die Antwort darauf doch nicht eine “Vereinheitlichung” von Lehrinhalten sein. Schlechte Schulen werden davon kaum besser werden, und die guten Schulen leiden eher darunter. Eine Bewertung der Leistungen der Lehrer durch die Schüler dagegen kann nur hilfreich sein; an Schweizer Hochschulen etwa wird das seit Jahrzehnten praktiziert.

Eine “Allgemeine Lehrpflicht”

Als konstruktiven Vorschlag habe ich eine alte Idee von mir parat, die verwegen klingt, tatsächlich aber leicht und mit wenig Geld zu realisieren ist: Die “allgemeine Lehrpflicht”. Jeder Erwachsene sollte dazu verpflichtet werden, in periodischen Abständen in einer Schule irgend etwas zu unterrichten. Das würde nicht nur eine Vielfalt an Lebenswirklichkeit und interessanten Inhalten zu den Schülern tragen, es würde auch die Realität des Schulalltags in das Bewusstsein der breiten Gesellschaft bringen.

Jeder wüsste dann aus eigener Erfahrung, was es heisst, vor einer Schulklasse zu stehen. Im kleinen Rahmen lässt sich das sogar ohne “Pflicht” bereits jetzt umsetzen, und wird vereinzelt sogar praktiziert, indem ein Lehrer zu einem Thema einen geeigneten Experten einlädt, der darüber referiert. Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass es funktioniert und sogar Spass macht, auch wenn ich vor Schülern deutlich nervöser bin, als wenn ich vor einem viel grösseren erwachsenen Fachpublikum vortrage.

Ich stelle mir gerade vor, wie im Rahmen der allgemeinen Lehrpflicht die Bundeskanzlerin, alle Abgeordneten und Regierungsmitglieder, aber auch Unternehmer, Handwerksmeister, Filmemacher, Professoren, Verkäufer, Bauarbeiter, Schauspieler und Strassenreiniger vor Schulklassen stehen und darüber erzählen, was sie im Beruf, im Leben oder in ihrer Freizeit an wichtigen Dingen erfahren oder gelernt haben.

Das alles wäre auch nicht so problematisch, wie es auf den ersten Blick klingt. Die Lehrer sind ja schliesslich auch dabei und können bei der Vorbereitung helfen. Die Schüler können im Vorfeld Fragen sammeln, auf die sich der “Lehrpflichtleistende” vorbereiten kann. Und man könnte auch schrittweise damit beginnen und Leute, mit denen das überhaupt nicht geht, aus der Pflicht entlassen, und diejenigen, die bei Lehrern und Schülern auf grossen Anklang stossen, gegen zusätzliches Entgelt häufiger in den Unterricht bitten.

Eine solche Massnahme würde auch nicht viel kosten, aber sie würde die Schulen dahin rücken, wo sie hingehören: In die Mitte der Gesellschaft. Es bräuchte nur den Willen und etwas Mut.

Geist und Seele

An dieser Stelle möchte ich noch einige Gedanken über die menschliche Psyche loswerden, die ein wenig Licht darauf werfen können, wie es zu einem Amoklauf kommen kann, und erläutern, warum jeder monokausale Erklärungsansatz unzutreffend sein muss, und keine Massnahmen zukünftige Amokläufe werden verhindern können. Selbst wenn alle Probleme mit dem  "System Schule" gelöst wären, gäbe es noch Amokläufe. Nur wären die Schulen dann wohl seltener das Ziel.

Wenn im folgenden von der Seele die Rede ist, dann meine ich damit nicht das religiöse immaterielle Prinzip, sondern den Anteil der menschlichen Psyche, der das Gefühlsleben ausmacht.

Die Wissenschaft ist beim Verstehen des menschlichen Geistes zwar ein gutes Stück vorangekommen, aber wir wissen noch immer viel weniger, als wir nicht wissen, und sind insbesondere weit davon entfernt, gezielt Einfluss auf die Entwicklung der Seele nehmen zu können, ohne schwer kalkulierbare Gefahren für den Einzelnen und die Gesellschaft heraufzubeschwören und unbeabsichtigte Nebenwirkungen zu riskieren.

Zum Teil sind wir sogar weiter davon entfernt als frühere Kulturen und Gesellschaften, die der Prägung der Seele über Religion und Rituale eine viel höhere Bedeutung beigemessen haben. Das ist die Kehrseite der Aufklärung.

In unserer westlichen Kultur steht bei der Persönlichkeitsentwicklung das rationale und vernunftbestimmte Verhalten im Vordergrund, das zielgerichtete Beeinflussen und Entwickeln von Emotionen dagegen ist eher suspekt und bleibt dem Einzelnen, der Familie und den Medien oder, wenn sich auffällige Abweichungen von der Norm ergeben, Ärzten und Therapeuten überlassen. Klassische bürgerliche Erziehung in unserer Gesellschaft zielt darauf ab, Emotionen zu kontrollieren, zu verbergen oder zu unterdrücken.

Dabei wird unser Verhalten vollständig von Affekten und Emotionen bestimmt. Es gibt keine rein “rationalen” Entscheidungen, denn ohne eine Bewertung durch unser “emotionales Subsystem” haben wir keine Grundlage, unterschiedliche Alternativen zu bewerten. Menschen, bei denen etwa in Folge von Verletzungen oder Erkrankungen bestimmte für Emotionsverarbeitung zuständige Areale wie die Amygdala schwer geschädigt sind, können trotz eines vollkommen intakten Grosshirns und uneingeschränkter Sprech- und Kognitionsfähigkeiten keine "vernünftigen" Entscheidungen mehr treffen, da ihnen alle Alternativen gleich erstrebenswert erscheinen und daher nur der Zufall entscheidet.

Unser affektives System ist ein komplexes Zusammenspiel aus neuroelektrischen, neurochemischen und hormonellen Vorgängen. Diese sind zwar auch nur unvollständig verstanden, es gibt aber viele hilfreiche Theorien über die funktionalen Zusammenhänge, die auch experimentell halbwegs untermauert sind.

Auf unterster Ebene beeinflussen diejenigen inneren “Sensoren” unserer Verhalten, die der Erhaltung des homeostatischen Gleichgewichts, also der körperlichen Unversehrtheit dienen, und beispielsweise Hunger, Hitze, Kälte, Durst, Erschöpfung und körperlichen Schmerz erkennen und verarbeiten. Ebenfalls tief verankert sind der Sexualtrieb und die Mechanismen zur Steuerung von Kampf-, Flucht- und Jagdverhalten.

Weiterhin dient ein Spektrum von Basisemotionen dem sozialen Zusammenleben in der Gesellschaft: Nach Ekman sind das Fröhlichkeit, Wut, Ekel, Furcht, Traurigkeit und Überraschung, aber es gibt da auch Theorien mit etwas anderen Sätzen an Basisemotionen. Darauf aufbauend unterscheiden wir viele komplexere Gefühle wie Schuld, Verachtung, Neid, Mitleid, Sympathie, Stolz, Ehrfurcht, Liebe, Erleichterung, Enttäuschung und viele Abstufungen und Kombinationen dieser Emotionen.

Dieses komplexe innere Geschehen steuert letztendlich unsere Wahrnehmung, unser Lernen und unser Verhalten, und es ist ein Wunder, wie gut das normalerweise funktioniert.

Wenn die emotionale Selbstregulation versagt, kann das alle möglichen Ursachen haben. Nur ist meist sehr schwer ist, Ursachen und Symptome auseinanderzuhalten. Häufig, aber nicht immer manifestieren sich psychische Erkrankungen als neurochemische Ungleichgewichte, die Folge genetischer Disposition, Ernährung, lang einwirkender Lebensumstände oder frühkindlicher Entwicklung sein können. Amokläufer sind aber nicht alle psychisch krank, die Forschung geht derzeit davon aus, dass nur ein Viertel bis eine Hälfte eine diagnostizierbare psychische Erkrankung aufweist.

Dazu gibt es Mechanismen, die als Prägung bezeichnet werden, bei denen ein einzelnes Erlebnis in einer sensiblen Phase die “Verdrahtung” der Psyche lebenslang anhaltend verändern kann. Die meisten Emotionen sind ausserdem erlernt und nicht angeboren. Dazu kann die einmalige Beobachtung einer emotionalen Reaktion ausreichen. Von Primaten ist etwa bekannt, dass sie Angst vor Schlangen entwickeln, wenn sie nur einmal einem anderen Affen dabei zusehen, wie er ängstlich auf eine Schlange reagiert. Das funktioniert bei Affen sogar, wenn man ihnen einen Film davon zeigt, allerdings muss man das dann mehrmals tun.

Auch sind die Lebensumstände und persönlichen emotionalen Erfahrungen oft das Ergebnis eigenen Verhaltens. Wer versucht, dieses hochkomplexes Zusammenspiel aus sich wechselseitig beeinflussenden inneren und äußeren Regelkreisen als einfachen Ursache-Wirkungszusammenhang darzustellen, muss zwangsläufig scheitern.

Und weil das alles so komplex ist, gibt es auch unzählig viele Schüler auf der Welt, die gemobbt werden, Killerspiele spielen, gerne lange schwarze Mäntel tragen, Zugang zu Waffen haben und von der Schule fliegen, aber niemals einen Amoklauf begehen. Und dann gibt es eben unter rund 10 Milliarden Menschen, die in den letzten hundert Jahren gelebt haben oder noch leben, mindestens diese 294, die in ihrem Leben an einen Punkt gekommen sind, an dem die Aussicht, möglichst viele Menschen umbringen und dabei wahrscheinlich den Tod zu finden, die für sie am wenigsten unangenehme oder subjektiv einzige Handlungsalternative darstellt. Was sie dazu gebracht, an diesem Punkt diesen schrecklichen Weg zu gehen, darüber gibt es gewisse Erkenntnisse und Annahmen, genaueres weiss man nur in den Fällen, wo der Täter überlebt und darüber erzählt hat. Und es gibt Abschiedsbriefe, darunter den sehr eindrucksvollen von Bastian Bosse, aus dem man einiges über seine Sicht der Welt erfährt.

Woran erkennt man einen Amoklauf-Gefährdeten?

Die Forschung betont immer wieder, dass es kein brauchbares einheitliches Täterprofil gibt, aber da es ist natürlich ihre Aufgabe ist, mit einem Profil aufzuwarten, hat sie doch eines produziert:

Potentielle Amokläufer…

  •  weisen nur selten schwere psychische Störungen auf
  •  stammen selten aus „kaputten Elternhäusern“
  •  sind nicht ausschließlich sozial isolierte Einzelgänger
  •  haben vor der Tat eher keine Gewalt gegen Menschen oder gegen Tiere verübt
  •  sind eher gebildet und durchschnittlich oder hoch intelligent
  •  konsumieren nicht überproportional viele Drogen oder Alkohol
  •  sind nicht überproportional oft straffällig
  •  tragen gerne schwarze Kleidung
  •  konsumieren exzessiv Bücher, Filme und Spiele mit gewalttätigem Inhalt
  •  sind von Waffen fasziniert
  •  sind männlich
  •  überwiegend zwischen 14-20 oder 30-40 Jahre alt

Mit anderen Worten: Fast jeder normale männliche Jugendliche oder Erwachsene.

Doch können jetzt wenigstens die asozialen Eltern, Mitschüler oder Lehrer von Schlägern, Tierquälern, Säufern, Idioten, psychisch Kranken und Töchtern aufatmen? Leider nein, denn auch in diesem "Profil" bestätigen die Ausnahmen die Regel, und rund jeder fünfte Amokläufer passt nicht in dieses Profil. Daher warnen die Experten, die das "Profil" erstellt haben, auch eindringlich davor, es zu verwenden. Immerhin. Hoffentlich liest auch die Politik den Beipackzettel.

Ich will die Forschungsergebnisse hier aber nicht lächerlich machen, das alles sind durchaus wichtige Erkenntnisse, helfen nur bei der Früherkennung überhaupt nicht weiter oder sind sogar kontraproduktiv. Und in den Originalberichten ist das auch alles differenzierter und im Kontext dargestellt, so dass es nicht so lächerlich klingt und ist, wie ich das hier darstelle. Einige Quellen habe ich in der Einleitung verlinkt.

Die Untersuchungen bestätigen allerdings eine nahe liegende Vermutung: Wer öfter mal Dampf ablässt, gerne mal einen draufmacht oder etwas einfacher gestrickt ist, bei dem staut sich nicht so schnell etwas an. Dass so jemand dann aber sehr viel wahrscheinlicher eine Körperverletzung oder einen Totschlag verübt, als ein stiller Einzelgänger einen Amoklauf begehen würde, kehrt den vermeintlichen Vorteil leider um.

Es steht aber auch einiges an Vernünftigem und Brauchbaren in den Artikeln. Das aus meiner Sicht brauchbarste Ergebnis der Forschung ist die Theorie über den langjährigen Weg, den ein Amokläufer zurücklegt, bevor es zur Tat kommt:

– Durch Nichtbeachtung und emotionale Vernachlässigung bilden sich Persönlichkeitsdefizite

– Persönlichkeitsdefizite verstärken soziale Defizite

– Soziale Defizite und Persönlichkeitsdefizite führen in verstärktem Ausmasse zu Kränkungen, die nicht verarbeitet werden können

– Es findet ein Rückzug in erträglichere Nebenrealitäten statt, in denen sich Rache- und Tötungsphantasien entwickeln

– Stellt sich nun ein schwerer Status- oder Beziehungsverlust ein,  etwa Schulverweis, Kündigung oder Trennung, kommt zu Depressionen und dem Gefühl von Ausweglosigkeit

– Es beginnen konkrete Planungen und Vorbereitungen, Rache an denjenigen zu üben, denen die größten Kränkungen oder die Schuld an der eigenen Situation zugeschrieben wird

– Ein nichtiger Anlass, Jahrestag oder die unmittelbare Gefahr weiterer schwerer Kränkungen setzen die Ausführung der Pläne in Gang

Ablauf der Tat

Bei Tat der können zwei verschiedene archaische Gewaltmodi auftreten, die jeweils einen anderen evolutionären Hintergrund haben und genetisch verankert sind: Der "Jagdmodus der Gewalt", und der "Verteidigungsmodus", der auch als Kampf-/Fluchtreflex bekannt ist.

Aus Videoaufnahmen von Amokläufern wurde geschlossen, dass diese überwiegend im "Jagdmodus" operieren, bei dem sie sehr ruhig und scheinbar kaltblütig vorgehen. Ich halte es aber für wahrscheinlich, das in bestimmten Situationen ein Moduswechsel stattfinden kann, und ausserdem diese Modi bei Amokläufen mit Schusswaffen nicht so klar unterscheidbar sind. In beiden Modi spielen das Hormon Adrenalin und das Neuropeptid Endorphin eine zentrale Rolle, um den Körper und die Wahrnehmung möglichst gut an die Extremsituation anzupassen.

Schüttet die Nebenniere größere Mengen an Adrenalin aus, erhöht sich der Pulsschlag, die Bronchien erweitern sich zur Erleichterung der Atmung, die Darmperistaltik wird abgeschaltet, der Schliessmuskel der Harnblase spannt sich an und dichtet sie ab, die Pupillen erweitern sich, die Blutgerinnungswerte steigen an, um bei Verletzungen die Blutung schneller zum Stillstand zu bringen, und es werden grosse Mengen an weissen Blutkörperchen freigesetzt, um mögliche Infektionen abzuwehren. Gleichzeitig kann sich eine Gänsehaut bilden, die kalten Schweiss abgesondert, und der Mund wird trocken.

Das Endorphin, ein körpereigenes Opioid und chemisch mit Opiaten wie Morphium und Heroin verwandt, verändert die gesamte Wahrnehmung. Zum einen werden die meisten homeostatischen Schutzreflexe minimiert und die Wahrnehmung von Hunger und Durst wird praktisch ausgeblendet, Schmerzsignale werden unterdrückt, und die "Sicherungen", die normalerweise die Muskeln vor Überbeanspruchung schützen, werden entfernt, so dass zusätzliche Kraftreserven abrufbar sind.

Gleichzeitig verändert sich die Wahrnehmung der Zeit, und die motorische Kontrolle wird unter Umgehung der bewussten Wahrnehmungsareale direkt mit dem visuellen Cortex kurzgeschlossen, um die Reaktionszeit zu minimieren. Das Bewusstsein wird quasi auf den Rücksitz verbannt, und man fühlt sich mehr als Zuschauer denn als Akteur. Jede Kampfaktion bewirkt eine weitere Ausschüttung von Hormonen und Neuropeptiden, um zunehmende Sättigung und Unempfindlichkeit der Rezeptoren ausgleichen und den Zustand aufrechtzuerhalten. Kommt das Geschehen zur Ruhe, setzt zunächst Apathie und Orientierungslosigkeit ein, auf die je nach Disposition höchste Euphorie oder tiefste Depression folgen kann, bevor sich die Wahrnehmung allmählich beginnt, sich zu normalisieren.

Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt der Kontakt mit der Polizei erfolgt und in welcher Phase sich der Amokläufer befindet, tötet er sich entweder selbst, stellt sich zum Kampf oder läßt sich überwältigen bzw. ergibt sich. In der Regel ist aber alles bereits vorbei, bevor die Polizei eintrifft.

Ein Mensch, der sich in diesem Zustand befindet, ist praktisch nicht er selbst, jedenfalls nicht der Mensch, als den man ihn kennt. Insofern lassen sich seine Handlungen in diesem Zustand nicht mit den Maßstäben bewerten, mit denen man normales menschliches Verhalten bewertet, so wie es die Presse zum Teil getan hat. Dass jemand in einem solchen Zustand ohne Mitleid tötet, heisst nicht, dass er grundsätzlich kein Mitleid empfindet oder schon immer ein grausames Monster gewesen ist, dass sich nur verstellt hat.

Das macht es fast unmöglich, einen zukünftigen Amokläufer vorher als solchen zu erkennen, denn über diese genetisch verankerten Modi verfügt praktisch jeder, und jeder kann auch zum Amokläufer werden, wenn die entsprechenden inneren und äußeren Faktoren zusammenkommen. Die inneren Faktoren sind leider nicht ohne weiteres feststellbar, denn zum einen werden wir ja dahingehend erzogen, unser Seelenleben vor der Aussenwelt zu verbergen, zum anderen nimmt der Täter seine Situation lange Zeit als nicht so schlimm war und hat ja seine Nebenrealität. Glücklicherweise kommen diese Faktoren, wie wir gesehen haben, äußerst selten zusammen.

Was tun gegen Amokläufe?

Jemand, der behauptet, Waffen oder Killerspiele oder seien ursächlich für so ein das schreckliche Ereignis und man müsse nur verbieten und kontrollieren, hat aus meiner Sicht schlichtweg keine Ahnung. Ob er aus bester Absicht oder als Trittbrettfahrer zur Durchsetzung eigener Interessen oder lang gehegter Überzeugungen handelt, ändert nichts daran, dass er falsch liegt.

Wenn wir private Schusswaffen verbieten, wird uns der nächste Täter mit illegalen Waffen, seiner Dienstwaffe, Küchenmessern, Schwertern, Molotow-Cocktails, einem PKW oder einem Tanklaster überraschen.

Die in der Diskussion befindlichen Kontrollen für Waffenbesitzer gibt es bereits und sie finden statt, wenn es einen Hinweis oder Verdacht gibt, und sie sind auch jederzeit ohne konkreten Verdacht möglich. Flächendeckende Kontrollen aber sind vollkommen unpraktikabel, weil es sich sich um mehrere Millionen Haushalte handelt, und selbst Stichproben wären völlig unergiebig, und zwar aus folgendem Grund:

Ich bewahre meine Waffen und Munition immer im Safe auf, und es gibt nur einen Schlüssel, der Zweitschlüssel ist kaputtgegangen. Wenn ich jetzt nicht zu Hause bin, kann meine Frau allenfalls auf den verschlossenen Safe deuten und sagen, dass alles da drin ist. Wenn ich aber zu Hause bin, dann kann ich die Waffe ja auch ausserhalb des Safes liegen haben, weil ich sie gerade reinigen oder zum Schiessstand mitnehmen wollte, als es an der Tür klingelte. Die Zahl der Fälle, bei denen die Beamten bei Stichproben Verstösse feststellen, dürfte gegen null gehen. Ausserdem schliesse ich meine Waffen nicht aus Angst vor Kontrollen weg, sondern weil ich auf gar keinen Fall riskieren möchte, dass Kinder oder Unbefugte da ran kommen. Keine Strafe kann so schlimm sein wie die möglichen Folgen von Unachtsamkeit, und ich denke da weniger an Amokläufe als vielmehr einen Unfall durch neugierige spielende Kinder.

Andererseits würde ein siebzehnjähriger, der in meiner Familie lebt, es sicher schaffen, irgendwann an meinen Schlüssel zu kommen, wenn er es darauf anlegt. Das selbe gilt aber auch für Dienstwaffen von Polizisten.

Verbieten wir die “Killerspiele”, so ist es genauso wahrscheinlich, dass die Zahl derer, die aufgrund der Ventilwirkung der Spiele nicht zur Tat schreiten, abnimmt und wir mehr Fälle bekommen. Niemand weiss es wirklich.

Wenn wir nun ein Heer von Schulspsychologen und Fahndern losschicken, um nach frühen Anzeichen zu suchen, werden wir mit Sicherheit massenweise fündig werden, jede Menge Fehlalarme produzieren und viele Jugendliche stigmatisieren, die überhaupt keine Gefahr darstellen.

Die Vorschläge der Kriminalforscher dagegen erscheinen mir halbwegs vernünftig, insbesondere, wenn man sie als Reihenfolge von Prioritäten liest:

(1) Verhinderung der sozialen und persönlichen Defizite
(2) Verhinderung der Kränkung
(3) Verhinderung der Nebenrealitätsbildung
(4) Verhinderung der Entwicklung von Tötungsphantasien
(5) Verhinderung der Voraussetzungen für die Realisierung der Tat (Waffenzugang, Übung im Umgang)
(6) Verhinderung der Tatrealisierung

Bei Punkt 1 ist sicher auch die Familie gefragt, aber die Punkte 1-3 sind ja wohl im Zusammenhang mit Schulamokläufen ganz klar Aufgabe der Schule, man könnte auch sagen, hier hat die Schule nicht nur versagt, sondern ist als Urheber beteiligt. Bezeichnend ist, dass derzeit eigentlich nur über die Punkte 4 und 5 geredet wird, wo das Kind aber bereits in den Brunnen gefallen ist.

Wann passiert der nächste Amoklauf?

Vorhersagen kann man das natürlich nicht, es kann morgen sein, oder erst in 40 Jahren, oder nie mehr, aber so wie Flugzugunglücke bei einer bestimmten Airline sehr selten sind, weil viele Faktoren zusammenkommen müssen, damit das System Flugzeug/Mensch katastrophal versagt, so kann man davon ausgehen, das für einen “erfolgreichen” Amoklauf ebenfalls viele Faktoren zusammenkommen müssen. Rein statistisch gesehen müssen wir uns wohl an einen Amoklauf alle zwei Jahre einstellen. Wenn dann jedes Mal wieder hauptsächlich über Killerspiele und Schusswaffen diskutiert wird und die irgendwann verschwunden sind, wo geht es dann nach dem nächsten Amoklauf weiter? Filme? Bücher? Autos? Küchenmesser?

So wie angesichts der Finanzkrise gern gesagt wird, wir müssten die auch als Chance begreifen, so denke ich, wir sollten die Betroffenheit über das schreckliche Geschehen nutzen, einmal offen und schonungslos über das System Schule in Deutschland nachzudenken, und nicht nur darüber, ob wir hier und da an ein paar Schräubchen drehen oder drei Lehrer mehr einstellen, sondern uns grundsätzlich fragen, ob es sein muss, unseren Kinder im 21. Jahrhundert ein System zuzumuten, das die meisten mit Unbehagen auf die Schule zurückblicken lässt, viele unglücklich macht und einige davon sogar zu Massenmördern werden lässt. 

An alle Schulamokläufer in Spe

Am Ende möchte ich noch direkt denjenigen etwas sagen, die sich mit dem Gedanken tragen, in die Fusstapfen von Robert, Bastian oder Tim zu treten: Wenn euch die Schule fertig macht, geht einfach und macht etwas anderes. Das Leben ist nicht wie die Schule, es ist deutlich angenehmer. Und ihr braucht auch keinen Schulabschluss, um ein um ein nettes Leben zu führen. Mit Abschluss ist einiges zwar leichter, und ohne Abschluss bleiben euch ein paar Türen verschlossen, aber durch die würdet ihr sowieso nicht durchgehen wollen. Und wenn ihr es euch später anders überlegt, könnt ihr den Abschluss nachholen. Wenn euer Kaff und eure Eltern unerträglich sind, zieht in eine andere Stadt. Eine Grossstadt.

Und zu den drei Kandidaten: Was für traurige Looser. Da haben sie gerade die wohl beschissensten Jahre ihres Lebens hinter sich gebracht, und wo der Spass bald losgehen könnte, machen sie den Abgang. Und dann auch noch so eine feige Nummer. Echte Helden sind das. Gehört ja viel Mut dazu, auf wehrlose Menschen zu schiessen. Und dann dieses Gejammer, die böse Welt ist schuld, überall lauter Arschlöcher. Alle sind schuld, nur ich kann nix dafür, ich armes Opfer. Aber eines Tages, da werde ich euch zeigen, was für ein grosser Rächer ich bin! Unsterblich! Was für eine Kinderkacke. Alles was passiert, ist, dass die Zeitungen eine Woche lang Kasse machen. Nach zwei Wochen ist das Thema medial totgeritten, und die Artikel gammeln in Archiven vor sich hin. Und nach ein paar Jahren kann sich kaum noch jemand an den Namen erinnern.

, , ,

5 Antworten zu “Amokläufe und das “System Schule” in Deutschland”

  1. Hallo pavel,

    herzlichen Dank für die Aufbereitung der Zahlen. Das ist wirklich interessant und bestätigt meine Vermutung.

    Leider ist dein Text so lang, dass ich heute morgen nur einen Teil wirklich lesen konnte und vieles überflogen habe.

    Erfreut war ich, dass noch jemand ganz ähnliche Erfahrungen in der Schule gemacht hat. Ich bin als guter Schüler blendend hindurch gekommen, als ich aber das Abizeugnis hatte, bin ich vorne durch den Haupteingang hinaus und habe mich niemals mehr umgedreht.

    Das Schulsystem in Deutschland ist so ziemlich das Schlimmste, was man einem Kind antun kann. Die meisten Kinder, so auch ich und wohl auch du, sind jedoch so glücklich veranlagt, oder so hart im Nehmen, dass sie da durch kommen.

    Leider zeugen Menschen Kinder, die ihrerseits wieder in die Schule gehen müssen, sodass man als Eltern den Alptraum noch einmal erlebt.

    In der Grundschule fiel mir ein Arbeitsblatt meines Sohnes in die Hand, auf der Polen (es ging um einen Deutsch-Polnischen Freundschaftsroman in Deutsch), auf der Polen in ganz seltsamen Grenzen gezeichnet war. Es fehlten die ehemals deutschen Westgebiete und die ehemals polnischen Ostgebiete. Sie zeigt also Polen in Grenzen, die nie existiert haben. Als ich die Lehrerin darauf hinwies, reagierte sie so pampig, dass es schließlich zu einem verbissenen Klärungsgespräch bei der Direktorin kam.

    Diese Lehrerin hat dieses Arbeitsblatt, was sie einmal vor 10 Jahren vom Verlag bekommen hatte, der diesen Fehler schon längst korrigiert hatte, die ganze Zeit jedes Jahr in der 4. Klasse benutzt, ohne den Fehler jemals zu bemerken. Das zeigt, dass sich die Lehrer für die Themen, die sie behandeln, nicht die Bohne interessieren.

    Das ist natürlich auch kein Wunder. Wenn man bedenkt, dass in der Schule immer noch die gleichen „neuen“ Schriftsteller durchgenommen werden, wie vor über 30 Jahren, dann ist es verständlich, dass die Lehrer einen Ekel vor dem Lehrstoff entwickeln, den sie mitteilen müssen. Es kann natürlich auch sein, dass die Lehrerin einfach nur strohdoof war. Ausschließen kann ich das nicht.

    Es erscheint mir so, dass die Schule als Ökosystem ganz bestimmte Menschenschläge anzieht und fördert. Es müssen völlig schmerzfreie Menschen sein, die Lehrer werden und dies bis zur Frühverrentung durchhalten. Unsensibel, eher ein wenig dumm und mit seltsamen Hobbies.

    Im Großen und Ganzen weiß man ja, was an deutschen Schulen falsch läuft. Es lässt sich bloß nicht ändern, da die Schule ein Opfer des Föderalismus ist. Das Schulsystem in Deutschland lässt sich nicht reformieren, wenn wir die Kleinstaaterei nicht abschaffen, was ohnehin eine gute Idee wäre. Die letzte Föderalismus“reform“ hat die Zustände leider zementiert.

    Allerdings ist der Föderalismus bei uns so tief in der Verfassung verankert, dass er im Grunde nur durch eine breite Volksbewegung und einen Volksentscheid abzuschaffen bzw. richtig zu reformieren wäre. Und eine solche Bewegung ist nicht in Sicht. Die Schule wird also in Deutschland immer ein Alptraum bleiben – mit und ohne Amoklauf.

    Meine sonstigen Kommentare zur Bildungspolitik:
    http://www.sudelbuch.de/search?Subject%3Alist=Bildung

  2. Hallo Pavel,

    ich gehörte damals in meiner 7. Klasse zu den ersten, die bei uns in der Kleinstadt überhaupt wussten, was Internet war, geschweige denn Zugriff darauf hatten. Seit ca. 2 Jahren hatte ich Englisch in der Schule und war sehr stolz darauf, Email-Kontakt zu einer jungen Amerikanerin aufgebaut zu haben. Mir kam die Idee, doch mal eine von den Emails auszudrucken und meinem damaligen Englischlehrer vorzustellen. Ich konnte nicht ahnen, dass ich für diese Email vom gesamten Lehrerkollegium gehänselt werden würde, über Wochen hinweg… (Das Englisch in der email entsprach wohl nicht Oxford-genormt).
    Unser Latein-Lehrer hat das anbaggern von 13-Jährigen Mädchen sehr kultiviert und hat sie, wenn keiner zugesehen hat, auch gerne mal berührt. Ganz im Gegensatz zu unserem Geschichts-Lehrer, der doch eher an den Knaben interessiert war….
    Das, was mich damals aufrecht gehalten hat, war die Vision, irgendwann aus dieser Hölle zu entkommen.
    Abitur habe ich an der Schule nie bekommen, meine Lehrer waren damals der Ansicht, ich sei dumm und gehöre auf eine Hilfsschule.
    Nach dem Schlusabbruch nach der 11. Klasse habe ich zuerst Zivi gemacht (ich bin überzeugter Pazifist), anschließend eine Ausbildung und habe eine Aufnahmeprüfung für einen Ingenieurs-Studium geschafft. Das Studium habe ich beendet und bereite mich nun auf die Promotion vor. Mein ganzes Leben habe ich Computer-Spiele gespielt…

    Ich möchte Dir nur sagen: Danke für den Artikel, er spricht mir aus der Seele!

  3. Hallo Pavel.

    Das ist mein erster Kommentar unter einem Blogeintrag im Internet überhaupt, da ich mich generell lieber zurück halte. Dein Artikel ist aber Grund genug das _hier_ zu ändern.

    Ich habe selten etwas gelesen, was mich so hingerissen und bewegt hat. Als Schüler kann ich deinen Abschnitt über Schule nur sehr deutlich unterstreichen und bejubeln, es hat mir nahezu die Sprache verschlagen, wie deutlich du es ausdrückst im Gegensatz zu einem Haufen anderer so genannter Erwachsener, die das alles entweder einfach hinnehmen oder nicht kapieren.

    Ich wünschte es gebe mehr so kritische, geniale Menschen, die die Welt nicht einfach schlicht als „System“ akzeptieren. Sie, und damit auch meine Schule, würden besser davon.

    Vielen vielen Dank für deine Erläuterungen. Die Medien und Politiker sollten alle im Internet endlich ankommen und _verstehen_.

    Natürlich auch was Amokläufe betrifft, doch davon genug. Das Thema ist durch und die Probleme — einigen zumindest — bekannt.

    Pavel, du bist eine echte Ausnahme in meinen Augen.

    Gruß, K.

  4. Die Sachlichkeit Deines Artikels aus denen Du deutliche Schlussfolgerungen über die Schule gezogen hast, gefällt mir sehr.
    Es gibt Konzepte, die Schule von innen her verändern können. Doch die Schwierigkeiten die Kollegen und Vorgesetzte damit haben, sind erheblich. Ich hatte und habe sie beim ‚lernen‘ meines neuen ‚lernen‘ mit meinen Schülern auch. Lehrer sind durch ihre Ausbildung und berufliche Sozialisation ‚lernblind‘ geworden. Dies hängt auch mit kulturellen Werten und Sichtweisen zusammen, unter denen auch die Deine zur Minderheit gehört. Doch immer mehr Eltern und vor allem auch Schülern wird klar, was ihnen in der Schule zugefügt wird. Lehrer halten (ängstlich und gläubig) am Traditionellen fest, weil sie nicht wissen, wie sie es anders machen sollen bzw.weil sie der Meinung sind, es geht nur so, wie es zur Zeit gemacht wird. Es geht um die Frage: ‚Wie kann man einem Lehrer erläutern, dass man ihm nichts erläutern kann?‘