Der unmögliche Minister

Kann ein titelgeiler Betrüger in Deutschland Bundesminister sein? Natürlich nicht. Seine Chefin, Kanzlerin Merkel scheint da anderer Meinung zu sein. Durch ihr Verharmlosen übernimmt sie Mitverantwortung und setzt einen neuen Tiefpunkt für akzeptable poltische Moral im Ministeramt. Dieser Akt disqualifiziert Angela Merkel für ein Amt als Bundeskanzlerin.

Auch elitären Freunde des Ministers werden sich abkehren. Einladungen zu den Tafelrunden der unheimlichen “Global Leaders” dürften seltener werden. Wer will schon neben jemandem am Tisch sitzen, der schlecht lügt und nicht einmal eine eigene Doktorarbeit zu schreiben in der Lage ist. Elite ist das nicht.

Es gibt Fehler, die kann man verzeihen, und es gibt Fehler, die unverzeihliche charakterliche Mängel offenbaren. Titelgeilheit zeigt mangelnde Selbstsicherheit. Das Betrügen, Lügen und stückweise Eingestehen von ohnehin Beweisbarem zeugt von einem unaufrichtigen Wesen. Zusammen mit den Amtshandlungen als Minister nach der Tanklaster-Bombardierung und der Gorch-Fock-Affäre wird darüber hinaus eine innere Feigheit und ein Mangel an Handlungs- und Führungsverantwortung erkennbar. Eine aufgeblasene Person.

In seinem Ministerium ist Guttenberg bei den Beamten zur Lachnummer geworden. Hinter vorgehaltener Hand ist Schadenfreude zu bemerken. Im Ministerium hatten Beamte bereits vergangenen Freitag eigeninitiativ den Doktortitel aus den Word-Vorlagen gestrichen, nachdem der Minister vor ausgewählter Presse seinen damals noch vorläufigen Verzicht auf den Titel erklärt hatte. Man darf gespannt sein, ob der Minister noch im Amt ist, wenn die Neuauflage der Visitenkarten da ist.

Gerade im Innen- und Verteidigungsministerium finden sich einige ehrwürdige Berufsbeamte in dritter und vierter Generation, die die preussischen Tugenden nicht nur vom Hörensagen kennen. Moderner Dienstadel, der sich rangmässig ohnehin als über einem einfachen Freiherrn stehend begreift und früher wohl mit einem Grafentitel bedacht worden wäre.

Das Selbstverständnis dieser Beamten ist, das Land am Funktionieren zu halten, auch wenn an der Spitze unfähige Politiker stehen. Auf der nach unten offenen Glos-Scharping-Skala für ministerielle Unfähigkeit rangiert Guttenberg zwar im Mittelfeld, doch er ist auf dem besten Weg, einen neuen Benchmark zu setzen.

Sein Stil bei der Mitarbeiterführung ist eine Sache, aber derzeit kann man dem Minister vor allem attestieren, bei der Landesverteidigung ein riesiges Chaos verursacht zu haben. Über das Aussetzen der Wehrpflicht kann man geteilter Meinung sein, doch die akute Planlosigkeit überrascht. Nicht, dass es keine Pläne gegeben hätte, es gab sogar jede Menge Varianten. Die Regierung konnte sich aber auf keine verbindliche Zeit- oder Budgetplanung einigen, bis heute nicht, und dementsprechend gibt es beim Vorgehen auch keine Klarheit. So macht im Ministerium offenbar gerade jeder, was er kann und will, und das ist nicht viel.

Was derzeit geschieht führt dazu, dass Deutschland bald nicht mehr in der Lage sein wird, sich militärisch zu verteidigen, weil der Nachwuchs und die Reservisten fehlen werden. Das Geld für den Umbau der Bundeswehr fehlt. In den Kreiswehrersatzämtern und den Kasernen drehen die Leute Däumchen und warten auf Anweisungen. Planloser Aktivismus bei der politischen Führung, Resignation bei den Beamten. Die Presse bejubelt dagegen, dass überhaupt eine Entscheidung getroffen wurde, in konservativen Kreisen ist aber auch von Landesverrat die Rede. Das ist ausbaufähig.

Als Beamter wäre Guttenberg seinen Job längst los, so wie Andreas Kasper (CDU), der ehemalige Landesverbandsvorsteher in Lippe, der ebenfalls seine Doktorarbeit plagiiert hat.

Die Affäre Guttenberg wird das Superwahljahr 2011 überschatten. Die Bundeskanzlerin ist beschädigt, und der Gestank der moralischen Verwesung geht inzwischen von beiden Unionsparteien aus.

Merkel dementiert, dass die Halbierung des CDU-Wahlergebnisses in Hamburg etwas mit der Causa Guttenberg zu tun haben könnte. Einiges spricht dafür, dass Guttenberg die CDU in Hamburg 7% gekostet und der SPD die absolute Mehrheit beschert hat.

Gutes Krisenmanagement sieht so aus, dass man schnell wieder aus der Presse herauskommt. Derzeit sieht es aber so aus, als würde das Thema die Schlagzeilen noch eine Weile beherrschen, denn weder die intellektuelle Elite noch die grosse Mehrheit normaler, anständiger Menschen in Deutschland wird einen aufgeblasenen Lügenbaron als Bundesminister tolerieren.

Viele glauben noch, Guttenberg käme mit der Nummer irgendwie durch, doch die Merkel-Regierung wird verwundert feststellen müssen, dass der Sturm aus Scheisse nicht nachlassen wird, bevor nicht Köpfe rollen.

Und je länger das Ganze andauert, umso mehr Köpfe werden rollen müssen.

Ich werde mich jedenfalls nicht mehr mit dem Rücktritt eines Ministers zufrieden geben.
 

8 Antworten zu “Der unmögliche Minister”

  1. BohemianBerlin sagt:

    „Was derzeit geschieht führt dazu, dass Deutschland bald nicht mehr in der Lage sein wird, sich militärisch zu verteidigen“

    Was ist das denn bitte für eine Herangehensweise? Wer greift denn „bald“ an? Holland? Polen? Bayern? RTL?


    Merkel dementiert, dass die Halbierung des CDU-Wahlergebnisses in Hamburg etwas mit der Causa Guttenberg zu tun haben könnte. Einiges spricht dafür, dass Guttenberg die CDU in Hamburg 7% gekostet und der SPD die absolute Mehrheit beschert hat.

    ist auch nicht belegbar. Ahlhaus hat sich kurz vor der Wahl für 1 Mio EUR sein Eigenheim auf Steuergelder ausbauen lassen. Zum Beispiel. vonBeusts-Abgang war alles andere als hanseatisch.

    Generell stimme ich zu.

  2. Kai sagt:

    Schade,
    gerade bei dir hätte ich mir eine tiefere Analyse als das oberflächliche „Guttenberg ist ein Betrüger“ gewünscht. Zum Beispiel die Frage, wie oft Stichproben bei Doktorarbeiten vorkommen, warum gerade die vom Guttenberg fällig war, oder ob es sich mal lohnen würde die Doktorarbeiten von denen aus der Opposition zu überprüfen, die gerade am lautesten schreien. Einfach jetzt auf den draufzuhauen, der das rote Zielkreuz auf dem Rücken hat, ist imho ein bisschen lahm.

  3. moment sagt:

    jedem steht frei, alle doktorarbeiten durchzuforsten… ist vll auch nötig, den die prüfungskommissionen sind wohl dazu nicht in der lage.
    aber die vom kt ist nunmal murks…. und lässt den strudel immer schneller drehen. wer schlau ist zieht sich an den eigenen haaren heraus, bevor es zu spät ist. die laudentes haben gerade noch die kurve geschafft….wenn auch unter unglaubwürdigkeit….
    genaugenommen müssten die sympathisanten auch ihre hüte nehmen

  4. c3p sagt:

    Guter Artikel, ein bischen differenzierung hätte nicht geschadet, aber gerade was die Beamten angeht hast du den Nagel auf den Kopf getroffen.

    @Kai: Das diese angeguckt wurde ist vermutlich „zufall“, wobei er natürlich sehr bekannt ist, Kristina Schröders wurde damals ja auch auseinandergenommen und als Typ-B-Arbeit diskreditiert.
    Ich würde mich freuen, würde sich jemand die Zeit nehmen und bei den anderen weiterforschen. http://blog.fefe.de/?ts=b39d0c6b
    Sicher sind nur die deren Arbeit älter als 10 Jahre ist, da die Quellen nicht digital sind, oder die in eine teschnischen Fach promoviert haben, da es dort generell schwerer ist unaufällig zu plagiieren.
    http://blog.beetlebum.de/2011/02/24/10-schritte-zum-perfekten-plagiat/

    Vll. tritt er ja noch zurück, aber mit dem Springer im Rücken fühlt er sich scheinbar noch sicher.

    p.s.: Dein Blog sieht bei mir mit Firefox+Win7 etwas seltsam aus: http://img135.imageshack.us/i/seltsameschrift.png/

  5. rauskucker sagt:

    Ist doch fein, je länger, desto mehr Köpfe. Und desto mehr wird auch noch herauskommen.
    Z.B. über den Verbleib des Ghostwriters.
    Das ist nämlich überhaupt die spannende Frage: warum meldet der sich nicht?
    Ob er im Guttenberg’schen Schloßverließ eingemauert ist?

  6. BerlinProlo sagt:

    @ BohemianBerlin
    Deutschland wir am Hindukusch verteidigt, vergessen?

  7. DerWestfale sagt:

    @Kai: Wenn nicht jetzt etliche Parteisoldaten von CDU/CSU die Dotkorarbeiten der SPD, der PDS und der Grünen durchleuchten, und umgekehrt – wann dann? Glaubst Du, unter den x-tausend Guttenberg-Fans gibt es keinen mit den Fähigkeiten, der Zeit und dem Willen, z.B. die Doktorarbeit von Steinmeier zu untersuchen? Und wenn da Mist drin steht – wird die Bild-Zeitung es drucken oder nicht?
    Guttenberg war fällig, weil er betrogen hat, und immer noch lügt. Sein Spruch von „alles nur ein Versehen“ glaubt ihm doch kein Mensch.
    Klar, z.B. sollte man jetzt an allen Unis bei Abgabe von Promotionen eidesstattliche Erklärungen statt wachsweicher Ehrenwörtern verlangen – die einen sind nämlich strafrechtlich relevant, die anderen, siehe Baron G., offenbar unwichtig, wenn man behumpst.
    Tja, und für die nächste Zeit ist der Baron weiter Chef der zwei Bundeswehr-Unis…

  8. datengammelstelle sagt:

    Ich glaube wenn es vuz Guttenberg gelingt bis nach Aschermittwoch im Amt zu bleiben, hat er gewonnen. Das Medieninteresse läßt schon nach. Die Meldung daß er (oder ein anderer für ihn) seine Dissertation nur zusammengeklickt hat, verbraucht sich. Würde in dieser Woche der Ghostwriter, der sowas, wenn man sich die Qualität der Arbeit ansieht, noch nicht so häufig gemacht haben kann, auftauchen, wäre das etwas anderes. Das ließe das Medieninteresse wieder steigen. – Nur sieht es leider nicht danach aus.

    Eine Affäre Merkel? – Ja, weil sie nicht die mehr Kraft hatte, die Schröder beim Rausschmiß von Rudolf Schraping hatte. Denn die BILD-ich-weigere-mich-sowas-Zeitung-zu-nennen als mächtiger Verbündeter des Herr vuz Guttenberg hat längst ihre Protektion für die einst von ihr selbst aufgebaute Volks.Kanzlerin eingestellt, und sich auf den Freiherrn als zukünftigen Kanzler festgelegt.